Spiel der Woche - KW 05

Mit drei Stichen zum Sieg

Beim heute vorgestellten Spiel könnt ihr eine echte Seltenheit bewundern. Nachdem MH bei einer 55er Reizung von HH einen fünften Karo im Stock fand, wähnte er sich im Besitz eines sicheren Grands. Sogar in der oft so fatalen MH konnte er nur noch drei Stiche abgeben. Verloren hat er trotzdem. Allerdings wäre der Spielverlust vermeidbar gewesen, wenn er sein Spiel fehlerlos vorgetragen hätte. Doch dazu später.

Der VH-Spieler fand sich nach der Spielansage mit einer interessanten Aufgabe konfrontiert. Was spiele ich bei vier bestellten 10en und einer sehr hohen Reizung aus? Er entscheidet sich richtigerweise für die Reizfarbe seines Partners. Hätte HH bei 44 gepasst, hätte er auch Überlegungen anstellen können, ob sein Partner eine Farbe stechen kann und will, bei 55 aber muss er dem AS zumindest alle vier Buben zutrauen (woran sollte er das Handspiel erkennen können). In einer solchen Situation die Reizfarbe des Partners aufzumachen, ist selten verkehrt.

Ein kurzer Einschub für Anfänger: Ich erlebe sehr häufig, dass Spieler ihre Reizung bei einer x-beliebigen Farbe abbrechen. Sie wundern sich dann, warum so manches Gegenspiel einen kuriosen und für die Gegenpartei sehr unvorteilhaften Verlauf nimmt. Um das zu vermeiden, ist es von eminenter Bedeutung, die letzte Reizstufe mit Bedacht zu wählen. Die eigene Reizung ist eine wichtige Information für den Partner. Wer seinen Mitspieler durch einen wahllosen Abbruch der Reizung in die Irre führt, macht einen klaren Fehler, der auf Dauer einen Haufen Punkte kostet!

Zurück zum Spiel: Als Ausspielkarte entscheidet sich VH für die Pik 10. Diese Entscheidung ist aus zwei Gründen alternativlos. Erstens kann er die 10 auf keine andere Farbe sichern. Da der Partner bestenfalls den Karo Buben als Trumpf führt und VH alle anderen Farben mindestens zwei Mal in der Hand hat, ist ein Laden der 10 ausgeschlossen. Da der Partner zweitens einen Pik ohne drei oder vier reizt, muss er davon ausgehen, dass dieser die Farbe sehr lang hat. Ein besetztes Pik Ass des AS kann er somit auch zu beinahe 100 % ausschließen. Wenn überhaupt, sollte er Pik blank haben.

Die Pik 10 könnte also nur durch Ausspiel nach Hause wandern. Tut sie aber nicht, der AS in MH sticht. Nach Abzug des Buben testet er nun zwangsläufig, wie Karo steht. Zur allgemeinen Überraschung ist HH, der – wie wir wissen – Pik ohne dreien Hand reizte, Karo frei und buttert auf die Karo Lusche folgerichtig das Pik Ass. Die Gegenpartei hat somit 21 Augen.

Gute Spieler wissen nach diesem Spielverlauf, dass der AS nur noch zwei „faule“ Karten führen kann. Sie sehen bei ihm die drei besten Buben und fünf Karo. Da sie mit ihren beiden Stichen mindestens 39 Augen machen müssen, gibt es bei dieser Kartenverteilung nur noch einen potenziellen Gewinnweg. In den beiden verbleibenden Farben (Pik ist ja auch geklärt) müssen jeweils 21 Augen fallen. VH ergreift somit die einzig logische Konsequenz: eine 10 kommt auf den Tisch.

Er entscheidet sich zu seinem Glück für die Herz 10. Diese Farbe hat der AS gedrückt und fühlt sich, sicher nicht ahnend, was kommt, zum Abwerfen bemüßigt. Danach dürfte alles sehr schnell gegangen sein. Ich schätze, das Herausnehmen des Herz Asses und das Ausspiel von Kreuz Ass waren eine Handbewegung. Und die Kreuz 10 von VH dürfte in dem Moment, in dem das Ass den Tisch berührte, noch maximal zwei Zentimeter von diesem entfernt gewesen sein. Natürlich sinnbildlich betrachtet, bekanntlich hat man im Netz keine Karten in der Hand.

Hätte VH übrigens per Zufall zuerst die Kreuz 10 gespielt, hätte der AS bedienen müssen und die im nächsten Stich ausgespielten 21 Augen von Herz natürlich gestochen. Deshalb war es sein Glück, dass er Herz gewählt hat. Man kann aber umgekehrt nicht sagen, dass es das Pech des Alleinspielers war. Denn dieser hatte es selbst in der Hand, das Spiel zu gewinnen.

Zu diesem Zeitpunkt sind bei 21 Augen für die Gegner nur noch 4 Volle im Spiel, die beiden Karo und die beiden Pik Vollen lagen bereits auf den Stapeln der abgespielten Stiche. Da der AS keine eigenen Augen abgibt, war die Gegenpartei darauf angewiesen, alle vier Vollen nach Hause zu bekommen. Nur mit ihnen konnte sie 63 Augen erreichen. Hätte er also die Herz 10 gestochen, wären für die Kontrahenten nicht mehr genug Punkte dagewesen. Ihm hätte das eine sehr viel bessere Liste beschert, euch aber wäre ein schönes Fallbeispiel durch die Lappen gegangen.