Spiel der Woche - KW 10

Skattheorie – Gut aufgepasst und trotzdem falsch

Das heutige Spiel ist ein hübsches Beispiel dafür, dass die prinzipielle Kenntnis von skattheoretischen Motiven nicht ausreichend ist, wenn ihr sie nicht richtig anwendet. Sie kann dann sogar – wie in diesem Spiel – kontraproduktiv sein, also in diesem Fall der Gegenpartei jegliche Siegchancen rauben.

In unserem Spiel reizen MH und VH ein jeweils ziemlich schwaches Blatt flott bis 30. Gut zuhören, ihr gnadenlosen Peitscher im Netz, die ihr diese Spiele mit einer Selbstverständlichkeit reizt, als gewänne man sie quasi im Vorbeigehen. Diese beiden Spiele sind definitiv schwach, sie brauchen beide dringend Verstärkung im Stock! Aber diese Verstärkung gibt’s überreichlich. Der Reizsieger VH findet 21 Augen und darf nun auf ein Gewinnspiel hoffen.

Die Trumpfverteilung ist für seine Spielweise jedoch sehr ungünstig. Er geht mit den schwarzen Buben in der Hoffnung los, bei einer 4/2 Verteilung ein Trumpf-Volles zu fangen. Diese Hoffnung aber erfüllt sich nicht und – Elend Teil zwei – die Trumpf-Vollen stehen auch noch bei HH, so dass er in MH kommt. Da Unglück meist geballt auftritt, hat er dazu noch das Pech, dass sich MH dafür entscheidet, das Pik A zu wimmeln.

Bei dem Blatt von MH ist es ganz schwierig, sich nicht gegen die Grundregel zu entscheiden, keine ungeklärten Asse zu laden. Was sollte er alternativ legen? Den Pik K? Der ist nur richtig, wenn der AS die bestellte 10 hochhält (und er hilft dem Partner bei seinem weiteren Spielvortrag wenig. Er wird vermutlich nun dem AS Pik A zuschreiben). Die He 10 zu dritt ist m.E. eine Tabukarte und die Karo 10 zu zweit ist irgendwie auch nicht viel schöner. Er legt schlussendlich das Pik A, was sich in diesem Fall als genau richtig erweist.

Die Voraussetzungen für den AS sind somit gerade enorm gesunken, sein Spiel noch problemlos zu gewinnen. Aber er hat ja HH, der sich zügig daranmacht, seine Schwächen zu reparieren. Das nun folgende Trumpfabspiel nimmt der Gegenpartei Tempo und Drohpotenzial, die nach dem geladenen Pik K ausgespielte Pik Lusche ist ohne Worte (bzw. ohne Denken, wenn der Partner die 10 gehabt hätte, hätte er sie wohl statt des Königs gegeben). Sie zwingt den AS endgültig, mit einem billigen Abwurf sein Spiel leicht zu gewinnen.

Doch bleiben wir noch einen Moment bei dem Trumpfabspiel. Was mag HH bewogen haben, nun das zweite Trumpf-Volle nachzuspielen? Es ist vermutlich das Motiv, sich nicht mehr in den Trumpf einschieben lassen zu wollen. Da HH alle drei Fehlfarben doppelt führt, eignet sich der Trumpf nicht zum Stechen wertvoller Karten des AS, also kann man ihn auch abspielen, wird er sich gedacht haben.

Kann man in diesem Fall eben nicht. Und das gleich aus mehreren Gründen. HH hat in keiner Farbe Not, also entweder eine besetzte 10, mit der er nicht antreten möchte, oder ein besetztes Ass. Da der Partner hinter dem AS sitzt, sind auch dessen potenzielle 10en nicht in Gefahr. Der verbleibende Trumpf ist also nicht hinderlich, er hat aber für den AS eine sehr unangenehme Drohwirkung. Der AS weiß ja nicht, dass HH alle Farben doppelt führt. Ein Ausspiel unter Ass, um sich evtl. ein Bild in der Farbe hochzustellen, ist z.B. bei einem verbliebenen Trumpf beim Gegner immer ein Risiko.

Das vielleicht wichtigste Argument, den Trumpf stehen zu lassen, ist aber: er bringt den AS in MH, also dahin, wo man ihn am liebsten hat. Wird der Trumpf abgespielt, kann man dieses Privileg nur einmal nutzen, so weiß der AS, wenn er HH in den Trumpf einschiebt, sitzt er wieder in der Mitte. Und das tut er gar nicht gern. Das ist gemeint, wenn ich sage, dass das Trumpfabspiel der Gegenpartei ein Tempo nimmt.

Bleibt noch die Frage zu klären, wenn HH die Trumpf 10 rausgenommen und das Ass stecken gelassen hätte (es ist absolut notwendig!!! die 10 statt des Asses zu nehmen, um dem Partner zu zeigen, dass man auch das andere Volle hat. Wer das Ass, also den höchsten Trumpf legt, annonciert: ich habe keinen Trumpfstich mehr in der Karte!!!), ob die Gegenpartei überhaupt gewonnen hätte. Das ist nämlich keinesfalls sicher. HH hat nun zwei Anspieloptionen, die der Spielverlauf nahe legt. Zum einen eine Pik Lusche, da der Partner das Ass geladen hat, zum zweiten die He D, da der Partner diese Farbe gereizt hat.

Wir haben die Kartenverteilung gesehen und wissen, dass Pik verkehrt wäre, für den Spieler ist das nicht so einfach. Und auch nach der He D ist der Sieg noch nicht abgesichert. Vermutlich würde der AS diese D mitnehmen und Trumpf spielen, auf den MH sicher den Pik K wimmelt. Dann muss zwingend Karo kommen, um dem Partner auch diese 10 freizuspielen. Nur auf diesem Weg sind 60 oder mehr Punkte zu erreichen.