Spiel der Woche - KW 11

Wenn die Todsünde zur Pflicht wird

Das vielleicht größte Problem beim Versuch, Skat zu vermitteln, ist die Tatsache, dass es von fast jeder Regel so viele Ausnahmen gibt. Eine solche Ausnahme ist heute unser Thema. Die eigentliche Todsünde, in einer toten Farbe „herumzurühren“, wenn der AS hinten sitzt, wäre in diesem Spiel von MH genau der richtige Spielzug gewesen. Die Gründe dafür möchten wir euch in den folgenden Absätzen aufzeigen.

Zum Spielverlauf: Nachdem VH die von MH gebotenen 18 gehalten hat, bekam er das Spiel und taufte Kreuz. Im ersten Stich kam er mit 12 Augen für die Gegner in die Mitte. HH öffnete nun die blanke Ka D. Dafür gibt es zwei Gründe, zum einen die Reizung seines Partners, und zum anderen die vage Hoffnung, eventuell mit der Trumpf 7 noch etwas ausrichten zu können. Nachdem der AS bedient, nimmt der Partner das Ass und spielt den K nach, den HH natürlich sticht. Aber die 10 hat der AS gedrückt. Er sticht über.

Auf den folgenden He B duckt MH, vermutlich in der Hoffnung, dass sein Partner den Pik B führt und den AS somit nochmals in MH setzen kann. HH hat aber keinen Trumpf mehr und setzt nun die Pik 7 ab. Auf die zwei Buben im nächsten Stich wimmelt HH seinem Mitspieler die Pik D. Wir sind nunmehr am entscheidenden Punkt dieses Spiels angekommen. MH muss nun das Spiel weiterführen, ob er will oder nicht.

Resümieren wir doch mal die Informationen, die er bis zum jetzigen Zeitpunkt sammeln konnte. Die Gegenpartei hat 33 Augen liegen. Der AS hatte 6 Trumpf und einen Karo und er hat die Karo 10 gedrückt. Er muss also noch drei weitere Fehlkarten führen. Weiterhin hat er beim Nachspielen des Ka K auf vier Augen in HH sitzend NICHT abgeworfen, sondern überstochen. Eine überaus wichtige Information, da sie zum weiteren Eingrenzen seines Blattes sehr aussagekräftig ist.

Auch der Partner hat mit seiner Spielweise einiges zur Klärung der Kartenverteilung beigetragen. Das Abwerfen der Pik 7 und die Ladung der Pik D zeigt an, dass er höchstwahrscheinlich die Pik 10 nicht führt, aber auch, dass er kaum beide Herz Vollen haben dürfte. Wenn der AS die drei verbleibenden Pik in der Hand hielte, was ja möglich ist, müsste HH also folgende fünf Herz auf der Hand haben: A, D, 9, 8, 7.

Woher kann MH das so genau wissen? Weil HH zwei Trümpfe hatte, einen Karo und zwei Pik. Es fehlen also fünf Herz-Karten. Den K hat MH selbst, hätte HH beide Vollen, hätte er eins geladen, hätte der AS das Ass, hätte er keine drei Pik mehr in der Hand, also vermutlich zwei 10en im Stock und noch zwei Pik Luschen oben. MH könnte in diesem Fall das Spiel nur gewinnen, wenn er Pik A und K zieht und HH He 10 und D buttert. Damit hätte die Gegenpartei dann 61 Augen. Aber jetzt kommt der nicht getätigte Abwurf des AS ins Spiel. Wenn er diese Karten hätte, hätte er doch auf die 4 Augen im 3. Stich mit Sicherheit abgeworfen, oder?

Das Gleiche gilt für eine andere potenzielle Kartenverteilung. Hätte der AS ein einmal besetztes He A, zwei blanke Luschen und 20 gedrückt, hätte er die Pik Lusche ebenfalls abgesetzt. Es spricht schon sehr viel dafür, dass er entweder die verbleibenden drei Pik oder drei Herz hat. Es gibt nur eine andere logische Kartenverteilung, die einen Überstich beim Ka K schlüssig erscheinen lässt: wenn der AS drei einmal besetzte 10 hatte und zwei davon gebunkert hat. Nun verrät er mit einem Abwurf der Blanken die Karte, was fatal wäre, da die Gegenpartei die verbleibende 10 so gut wie immer rausschneidet und dann leicht gewinnt.

Apropos gewinnen: die nächste Frage, die sich MH nun stellen sollte, ist, bei welchen Konstellationen kann die Gegenpartei überhaupt die zum Gewinnen notwendigen 27 Augen erspielen. Und dabei wird er schnell feststellen, dass dies nicht geht, wenn der AS He A führt, egal welche Fehlkarten er sonst noch hat. Er muss also seinem Partner das He A „geben“, um eine Chance zu haben.

Und wenn er das tut, ist auf einmal die eigentlich „tote“ Karo Lusche eine wunderschöne Karte zum Ausspielen. Denn mit ihr muss sich MH gar nicht entscheiden, welche 10 zu dritt er dem AS gibt. Selbst wenn der Partner ebenfalls eine Lusche legt, was er ja muss, da er gar kein Bild mehr hat: was soll der AS, der arme Tropf, nun tun? Er kann mit Abwerfen genau so wenig gewinnen wie mit Stechen.

Sticht er, kommt er hoffnungslos zu kurz, wirft er die He Lusche ab, kann MH problemlos die nächste Ka Lusche spielen. Auf die wiederum angebotenen null Augen kann der AS seine D für 36 abwerfen, worauf dann der He K mit A und 10 61 ergeben. Oder er sticht und spielt die D aus, woraufhin MH den K nimmt, HH duckt und jetzt kommt bei 40 liegenden Augen Pik A und … rien ne va plus (wie der Italiener sagt, oder war’s der Spanier oder gar der … nein, der war’s nich, das kann nu wirklich nich sein).