Spiel der Woche - KW 18

Mit Verzicht zum Glück

Eines der wichtigsten Motive beim Skatsport, das Konzept des Verweigerns, wurde in Skatschule und Spiel der Woche bisher etwas stiefmütterlich behandelt. Asche auf mein Haupt. Es wird dementsprechend höchste Zeit, das Versäumte anhand eines Paradebeispiels nachzuholen. Es geht darum, dass ihr eine ganze Reihe von Spielen nur gewinnen könnt, wenn ihr auf den Abstich eines Vollen verzichtet. Der Verzicht ist aber nur temporär. Ihr lasst also die Vorspeise aus, um beim Hauptgericht umso mehr zuschlagen zu können.

Beim heutigen Spiel durfte VH bei Passe Passe in den Skat gucken. Die Findung war zwar enttäuschend, aber er hatte ja immer noch ein – gerade in VH – durchaus respektables Spiel, welches er auch normal drückt und eröffnet. Der Verlauf des Eröffnungsstichs war ebenfalls nicht ungewöhnlich. Er musste damit rechnen, danach in der ungeliebten MH zu sitzen. Die folgende Kr D jedoch war ziemlich unangenehm. Er wusste, dass er beim Stechen vermutlich nur 3 Augen bekommt, würde er jedoch abwerfen, bekäme die Gegenpartei mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Volles mit Bild nach Hause. Dazu wäre der Abwurf der Ka 7 auch ziemlich verräterisch. Also sticht er und spielt wieder Trumpf.

Erneut ist nun HH am Zug, und er beweist spielerische Qualität. Sein Ausspiel im 2. Stich von 10, K, D war natürlich richtig, aber nicht mehr als Standard. Dass eine solche Farbkonstellation oft einen überaus gefährlichen Angriff auf den AS bedeutet, ist für erfahrene Spieler Allgemeingut. Aber seine Entscheidung, nun nicht erneut Schuss zu spielen, weist ihn als einen theoretisch sehr gut geschulten Spieler aus.

Warum ist das so? Zum einen müsste er bei einem weiteren Kreuzzug befürchten, dass sein Partner das Ass legen muss (falls der AS zwei Kr gedrückt hat), vor allem aber weiß er, dass der AS, wenn er nur 5 Trumpf hat, durch den ersten Abstich schon kurz ist, sein Partner hätte also schon in der Zahl der Trümpfe gleichgezogen. Ein weiterer Schuss ist in einer solchen Konstellation wesentlich häufiger gut als schlecht für den AS.

Außerdem wird er sich mit Sicherheit Gedanken darüber gemacht haben, was der AS und sein Partner für Karten führen könnten. Und da stehen ihm bei Berücksichtigung des bisherigen Spielverlaufs, seines eigenen Blattes und des Reizverhaltens schon viele Informationen zur Verfügung. Zur Erinnerung: sein Partner hatte von Hause aus gepasst. Es ist von daher kaum anzunehmen, dass er zusätzlich zu dem Kr A noch über zwei Buben und ein weiteres A verfügt. Das ist auch insofern unwahrscheinlich, weil der AS dann kein Spiel hätte.

Wenn er 5 Trumpf beim AS vermutet, muss er ihm wenigstens die beiden verbleibenden Fehl-Asse zutrauen, gibt er ihm dagegen 6 Trumpf, gibt es nur wenige Konstellationen, in denen überhaupt ein Sieg möglich ist. Ich kann hier unmöglich alle theoretisch denkbaren aufführen, wer Spaß daran hat, möge sich zu Hause die Karten legen und selbst ausprobieren, bei welchen Verteilungen ein Sieg denkbar wäre. Sollte sich tatsächlich jemand diese Mühe machen, wird er feststellen, dass es kaum eine gibt, bei der die ausgespielte Pik 8 den Sieg kostet.

Und das ist entscheidend. Mit jeder anderen Farbe kann HH alles kaputt spielen. Zu diesem Zeitpunkt geht es nicht darum, das Spiel zu gewinnen, sondern es nicht zu verlieren. Außerdem erkennt HH deutlich, dass er in diesem Spiel die dienende Rolle zu spielen hat. Er ist viel zu schwach, um das Spiel umzudrehen – das muss schon sein Partner schaffen – aber er ist stark genug, um ihm behilflich zu sein. Und das kann er nur in Pik. Hat sein Partner die besetzte oder blanke 10, ist es die letzte Chance, ihm diese freizuspielen bzw. den AS zu einem falschen Schnitt zu verleiten.

Doch nun zum weiteren Spielverlauf. Denn trotz des guten Spiels der Gegenpartei hat der AS noch nicht verloren. Er ist aber in der misslichen Lage, nicht mehr gefahrlos Trumpf spielen zu können. Also spielt er die Pik 10 nach. Und nun kommt der große Auftritt von MH, der bis dahin auf die Spielführung keinen Einfluss hatte. HH hatte den Boden bereitet, er musste nun den Ertrag einfahren. Und für ihn ist die Karte schon weitgehend geklärt. Er sieht die 5 Trumpf des AS, er kennt die Schussfarbe, er sieht Pik A und 10 und er muss vermuten, dass der AS auch Karo A hat.

Würde er jetzt stechen, hat er das Problem, das Spiel weiterführen zu müssen. Der AS säße nun in HH und könnte sich aussuchen, wie er reagiert. Karo könnte er gar nicht spielen, da er seinem Partner vermutlich die 10 blankiert (hat der AS beide Vollen von Karo, gewinnt er das Spiel sowieso), bei einem Kreuz-Unterzug verraucht die wichtige Kr 10 des Partners, bei Kr. A sticht der AS und schiebt ihn womöglich wieder in Trumpf ein. Die beste Möglichkeit, die er noch hätte, wäre stechen, Kr B abspielen und dann Kr Ass spielen.

Mit der Kr 10 und dem Pik K des Partners hätte die Gegenpartei dann 47 Punkte und die Trümpfe wären nach dem Abstich des Asses draußen. Doch nun hätte der AS die Chance, mit Pik 7 von der Karte zu gehen und sich durch Schneiden die Ka 10 zu holen. Dann wäre für die Gegenpartei kein Sieg drin. Mit dem Abwurf von Karo jedoch sitzt der AS unwiderruflich in der Falle. Spielt er Trumpf, kriegt er nur noch einen Stich, spielt er Ka A, passiert das gleiche, schiebt er HH in Pik ein, kann MH den zweiten Karo wimmeln und der AS hat auch verloren.