Spiel der Woche - KW 22

Wenn Karten sprechen

Heute ist das Gegenspiel in all seinen Facetten Hauptthema beim Spiel der Woche. Und nach einigen Spielbeispielen, bei denen die Analyse der Fehler im Mittelpunkt stand, möchte ich euch mal wieder ein Positivbeispiel präsentieren. Denn obwohl die Gegenpartei bei weitem nicht die maximal mögliche Augenzahl erreichte, hat sie vollkommen schlüssig agiert. Bedenkt bitte, die Spieler sehen nur ihr Blatt. Das Betrachten aller drei Blätter verführt zu strengerer Kritik, als sie angebracht ist. Jeder weiß zwar, dass er beim Selberspielen nur sein Blatt sieht, aber das Unterbewusstsein suggeriert bei offenen Spielen dennoch, man wisse mehr, als das der Fall ist, wenn man nur mit seinen 10 Karten eine Kartenverteilung lesen soll.

Die Ausgangssituation ist folgende: Da MH das Spiel nicht für 18 bekommt, entschließt er sich, einen Risikogrand zu reizen. Ein Karo-Handspiel ist mit dieser Beikarte trotz sieben stehender Trümpfe einfach zu schlecht und zum Passen war ihm die Karte wohl zu schade. Wichtig ist noch der Hinweis, wie weit HH reizt. Obwohl er sicher Kreuz spielen wollte, bricht er bei 22 seine Reizung ab. Und dafür gibt es gute Gründe.

Zum einen hat er den einfachen Herz, den er nicht so gern sähe, schon überreizt. Einen Null dürfte er beim AS für ziemlich unwahrscheinlich halten. Spielt er dennoch einen, hat er bei dieser Kartenverteilung fast immer ein Problem. Weiterhin zeigt er mit der Reizung seine längste Assfarbe an. Und zum dritten ist sein eigenes Spiel sehr schwach. Mit der 22 hat er es MH schon so schwer wie möglich gemacht, ein Spiel zu gewinnen. Die 24 aber ist eine Klippe, bei der viele Spieler mit halbseidenen Blättern aussteigen und so ganz scharf war HH sicher nicht darauf, sein Spiel jetzt noch zu bekommen.

Nach der Findung hatte MH nun ein Problem. Er fand zwar 20 Augen, wusste aber, dass er, wenn Schuss auf den Tisch kommt, nur eine Farbe (nämlich Karo) klären kann. Er kommt mit seinen Buben zu kurz. Eigentlich müsste er also die 20 Augen wieder drücken, aber dazu ist sein Blatt zu schwach. Da HH aber 22 reizte, konnte er die berechtigte Hoffnung haben, dass Pik auf den Tisch kommt, und schon hätte sein Blatt ein Problem weniger gehabt.

Da aber hatte er die Rechnung ohne VH gemacht. Denn dieser, ausgestattet mit zwei Assfarben, dachte gar nicht daran, auf die Reizung aufzuspielen. Eine weise Entscheidung mit dieser Karte. Die Herz 10 ist mit seinem Blatt nach meiner Überzeugung Pflicht. Warum? Weil sie die Karte klärt und weil er sowieso nicht beide He Vollen laden kann (worauf sollte das gehen, Chancen bestehen höchstens bei den Buben und bei Karo). Diese He 10 spricht, sie spricht sogar Bände. Da er davon ausgehen muss, dass He oft den Schuss für den AS bedeutet, spart sie für diesen Fall ein Auge, vor allem aber erklärt sie dem Partner, dass beide Vollen bei VH sitzen.

Noch wichtiger wird die 10 aber, wenn der AS die Farbe bedient und der Partner ein herzloser Mensch ist. Denn mit der 10 annonciert VH, dass er diese Farbe lang hat. Und diese Information ist für HH Gold wert, vielleicht hat sie der Gegenpartei sogar den Sieg beschert. Gute Spieler laden zwar höchst ungern ungeklärte Asse, aber manchmal juckt es eben doch in den Fingern. Und wer weiß schon, was passiert wäre. Mit der Info über die lange Herzfarbe bei VH aber war es für HH zwingend, den Kr K statt eines Asses zu schmieren.

Bei dieser Eröffnung hatte MH den Grand vermutlich schon abgeschrieben, anders ist mir der 2. Stich nicht erklärbar. Wenn er He A sticht (und was sollte er abwerfen?) muss er es mit dem Kr B festhalten. Den bei der 22er Reizung zu erwartenden Überstich kann er sich einfach nicht leisten (die Gegenpartei hat danach ja fast Minimum gemacht und trotzdem gewonnen). Sein Grand ist zwar auch mit Kr B-Abstich eine absolute Ruine, aber er belässt sich wenigstens noch kleine Siegchancen. Die beruhen zwar hauptsächlich darauf, dass die andern Fehler einbauen müssen, aber wenn ihr anderen Spielern keine Chancen gebt, Fehler zu machen, machen sie auch keine.

Das anschließende Ausspiel war für HH jedoch sehr schwer. Wir wissen zwar anhand der gegebenen Kartenverteilung, dass jede Karte das Spiel gewonnen hätte, aber das konnte HH nun wirklich nicht ahnen. Er dürfte schon angenommen haben, dass der AS wenigstens Kr A führt, wenn nicht sogar alle drei verbliebenen Kr. Wäre das der Fall, dürfte er in einer der verbleibenden Farben die 10 zu dritt vermutet haben (gibt er dem AS die 3 Kr und die 3 Buben, bleiben noch 3 Karten Rest). Hätte er 3 Ka, käme er mit seinem einmal besetzten A nicht weit. Deshalb spielt er es aus. Mit dem Pik A zu dritt könnte er, sollte der AS 3 Pik führen, sehr wohl das Spiel kippen.

Nach dem folgenden Einschub in Ka war die Karte weitgehend geklärt. Er sieht nun acht Karten vom AS, der folgende Pik K ist die neunte. Und nun macht er das einzig Richtige. Bei 43 liegenden Augen schneidet er nicht! Schließlich könnte der AS die 10 gedrückt haben und als 10. Karte das Kr A führen. Sein Partner muss eigentlich die Pik D haben, und mit dieser reicht es zum Sieg. Ein Sieg, der nicht zuletzt den sprechenden Karten von VH zu verdanken war.