Spiel der Woche - KW 23

Das Elend mit dem zweiten Schuss

In dieser Woche möchte ich euch an einem Beispiel zeigen, wie ein Spiel durch eine einzige falsche Karte einen vollkommen anderen Spielausgang nehmen kann. Gleichzeitig ist dieses Spiel ein Beleg dafür, wie wichtig gute Kenntnisse in der Skattheorie sind, um erfolgreich Skat zu spielen. Das Thema taucht beim Skat sehr häufig auf, es geht um die Frage, sollte eine gefundene Schussfarbe nachgespielt werden.

Doch beginnen möchte ich mit dem obligatorischen Thema Reizen. Die 18 von MH, also in der schlechtesten aller möglichen Sitzpositionen, zeigt schon, dass er ein Angriffsspieler ist. Sie ist jedoch vertretbar, da das Blatt Potenzial zur Verbesserung hat und MH im Besitz des Steuermannes, also des Kr B ist. Mit Pik statt Kr B wäre die Reizung m.E. schon nicht mehr anzuraten. Wenn VH jedoch die 18 hält, wie in diesem Fall, würde ich auch mit dem Steuermann empfehlen, zu passen.

MH aber reizt weiter und nun macht VH einen Fehler, er hält die gebotenen 20. Ich kann mich nur gebetsmühlenartig wiederholen: das ist restloser Blödsinn. Meint MH ein anderes Spiel, wird er sowieso weiterreizen, meint er auch den Herz, solltet ihr ihn lieber voran gehen lassen. Dann kriegt ihr nämlich von ihm 30 oder 40 Punkte und nicht er von euch. Bei diesem Spiel meint MH nicht Herz, er bietet also 22 und wird Alleinspieler. Nach der Findung hat er einen schwachen, aber bei guter Sitzung und/oder gutem Spielverlauf durchaus gewinnbaren Kreuz.

VH eröffnet das Spiel mit He 10. Man kann sich sicher darüber streiten, ob die 10 oder das A gespielt werden sollten (wer sich in das Thema vertiefen möchte, sei an die Skatschule Kapitel Spielkonzepte 1.3.4 verwiesen), aber ein Herz Volles gehört da schon auf den Tisch und welches war für den weiteren Spielverlauf in diesem Fall unwichtig. Der AS sticht und hat nun mit den Gedrückten 30 Augen liegen. Jetzt hat er den Sieg noch in der Hand. Spielt er nun die beiden Pik Vollen ab (die Farbe steht gut für ihn), hat er 58 Augen. Da er noch den Kr B führt, wäre das Spiel damit gewonnen.

Macht er aber nicht und begibt sich so in die Gefahr, ein Pik-Volles trotz der 2/2 Sitzung zu verlieren. Nach meiner Meinung ein eindeutiger Fehler, da es ohne den Doppelläufer sehr unwahrscheinlich ist, dass er das Spiel gewinnt. Warum also das Risiko eingehen? Mit dem Trumpfausspiel gewinnt er nichts, da er schon trumpfschwach ist und die Kontrahenten nicht trumpfschwach machen kann. Und nun ist er zum Spielball der Gegner geworden. Er hat den Sieg nicht mehr in seiner Hand.

Die Initiative liegt dadurch wieder bei VH, der jetzt vor der Entscheidung steht, ob er den Schuss nachspielt oder eine neue Farbe auf den Tisch bringt. Die Frage, die er sich nun stellen hätte sollen, ist: was bringt der zweite Schuss. Die Antwort habe ich ja schon vorweggenommen, er bringt nur eines: Elend für die Gegenpartei. Warum ist das so? Er selbst hat vier Trumpf, der AS hat schon einmal gestochen. Führt der Partner noch einen Trumpf, ist der AS schon kurz. Er kann zwar nicht wissen, ob dieser fünf oder sechs Trümpfe hat, aber selbst wenn er sechs hat, wird der zweite Schuss der Gegenpartei kaum helfen.

Zumal die ausgespielte He 10 dem AS gezeigt hat, wo das A steht. Kommt der K jetzt nach, kann er sich auch entscheiden, eine eventuell vorhandene blanke Lusche abzuwerfen, wenn er das für geboten hält. Das ist der große Nachteil des Ausspiels der 10 von A, 10, wenn der AS in MH sitzt. Ihr verratet die Karte und eröffnet so quasi selbst die Jagd des AS auf euer Ass, so dieser es zum Gewinnen braucht.

Gegen den zweiten Schuss spricht auch, dass VH in den anderen beiden Farben überhaupt keine Stärke hat. Er hat nur dann eine Gewinnchance, wenn ihm sein Partner helfen kann. Zusammen mit seinem Problem, sein He A retten zu wollen, ergibt das aus meiner Sicht eine klare Option, jetzt die blanke Ka 9 zu spielen. Erkennt sein Partner in HH, dass diese blank ist, wird er schon das Richtige tun, so er die entsprechenden Karten hat. Glaubt mir, gute Spieler erkennen die Blanke sogar ohne Geschwindigkeitsannonce, weil es ein klares Motiv ist, jetzt blank zu spielen, um das A nach Hause zu bekommen.

Und so wäre es vermutlich auch gekommen. Hätte VH Karo 9 gespielt, hätte HH als guter Spieler den K genommen und das A nachgespielt. Auf dieses hätte VH sein A gewimmelt und auf die anschließende Ka 7 nicht gestochen, sondern einen Pik abgesetzt. Stechen macht keinen Sinn, da er nicht weiß, ob die 10 kommt oder im Stock liegt. Die Gegenpartei hat bis zu diesem Stich 43 Augen, da führt ein Abwurf von Pik mit dem Blatt von VH zwingend zum Spielgewinn (egal, ob der AS oder HH die Pik 10 hat). So hätte der AS durch eine einzige Variation beim Ausspiel eindeutig verloren, statt mit 75 Augen zu gewinnen.