Spiel der Woche - KW 27

Gut gedrückt, Löwe

Das Drücken ist ein Thema, dem oft viel zu wenig Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird. Dabei ist es in sehr vielen Spielen der entscheidende Faktor für den Spielgewinn oder –verlust des Alleinspielers. Dabei sei nicht verhohlen, dass es oft ein wenig Fortune benötigt, die „richtigen“ Karten für den Skat vorzusehen. Dennoch ist es lohnend, beim Drücken nicht immer dem ersten, scheinbar nahe liegenden Gedanken zu folgen.

Beim heutigen Spiel der Woche wählt MH, der bei seinem 18er Gebot direkt ans Spiel kam, eine hochinteressante Drückvariante. Nach der für ihn enttäuschenden Findung hat er eines der seltenen Blätter, bei dem es zahlreiche durchaus logische und potenziell gewinnbringende Drückkombinationen gibt. Diejenige, die den meisten Anfängern sicher sofort ins Auge springt – sich der beiden Kreuz zu entledigen – halte ich von allen allerdings für die schwächste.

Der Grund dafür ist relativ einfach. Keiner der beiden Gegenspieler hat durch eine Reizung einen Hinweis über eine potenzielle Kartenverteilung oder Ausspielfarbe geliefert. Die einzige Vermutung und gleichzeitig Hoffnung des AS ist, dass er nicht unbedingt mit einer Extremverteilung bei den Farben rechnen muss. Unter diesen Umständen ist die am wenigsten zu erwartende Eröffnungsfarbe Herz. In Herz haben die Kontrahenten nur vier statt fünf Karten, dementsprechend ist auch nur in Herz eine 2/2 Verteilung möglich. Dazu kommt noch, dass den Gegnern in Herz sowohl die 10 als auch der K fehlt.

Gute Spieler machen solche Farben nur sehr ungern auf und an diesem Tisch saßen drei gute Spieler. Kommt aber kein Herz auf den Tisch, wird die im Prinzip recht starke Farbe bei diesem Blatt ganz schnell sehr schwach. Der AS hat nämlich überhaupt keinen Halt in der Trumpffarbe. Er besitzt nur fünf schwache Trümpfe, kann also den Gegnern in keinem Fall die Trümpfe rausziehen. Im Gegenteil, kommt nur einmal der Schuss in Kreuz, ist der AS sofort trumpfschwach. Zumal er gar nicht sinnvoll abwerfen kann. Einzig der Abwurf der He 8 ist denkbar, aber das ist ein reiner Bluff und der klappt bei dieser Kartenkonstellation äußerst selten.

Die vermeintliche Stärke in zwei Fehlfarben ist bei diesem Blatt also gar keine. Herz ist nur stark, wenn die Farbe kommt und Karo ist, wenn der AS in MH sitzt, auch nur stark, wenn die 10 in VH steht. Deshalb ist das Drücken der beiden Kr in diesem Spiel nicht empfehlenswert. Denkbar wäre hingegen, 20 Augen zu drücken, allerdings würde ich zu dieser Möglichkeit eher neigen, wenn einer der Kontrahenten mitgereizt hätte. Ohne Reizung finde ich die von MH gewählte Variante einen Tick stärker. Sie hat den großen Vorteil, dass er in allen Farben eine gewisse Stärke hat.

Zum Spielverlauf: Gleich im ersten Stich zeigt sich, wie vorteilhaft es sein kann, in MH von A, K, den K gedrückt zu haben. Hätte der AS den K im Blatt belassen, hätte er sich selbst gewissermaßen verpflichtet, mit diesem auch zu schneiden. Da die 10 bei HH sitzt, wäre ihm das aber nicht gut bekommen. HH hätte vermutlich die Farbe nachgespielt und schon hätte zu einem frühen Zeitpunkt des Spiels der siebte Karo von VH gedroht. So konnte der AS den Stich machen und Trumpf ziehen. Nach dem zweiten Stich wusste die Gegenpartei noch immer so gut wie nichts über die Kartenverteilung.

VH öffnet nun wieder Karo. Ein Ausspiel, was ich recht fragwürdig finde. Das Motiv für ein Ausspiel mit den drei Luschen einer Farbe ist doch, den AS zu einem falschen Schnitt zu verleiten (am liebsten natürlich, wenn er zu dem A beide Bilder führt und der Partner so die blanke 10 heimbekommt). Da er aber das Ass genommen hat, ist ein Nachspielen der Farbe meines Erachtens nicht mehr sinnvoll.

Es gibt genaugenommen nur zwei Möglichkeiten, bei denen ein weiterer Karo etwas bringen kann. Die eine ist, der Partner hat 10 und K und der AS kommt auf Schuss, ohne viele Punkte stechen zu können. Die andere ist, der Partner kann stechen und die Trümpfe fallen nicht mehr übereinander. Da VH aber recht schwache Trümpfe hat, ist das auch nicht wirklich oft zielführend. An Stelle von VH hätte ich nun He A gespielt, und nachdem der AS mit einer Lusche und HH mit der D bedient hätte, sofort auf den Kr K gewechselt.

Der Grund für diesen weiteren Farbwechsel wäre übrigens gewesen, dass der AS 1/1 gedrückt haben könnte (z.B. 20 Augen), und so ein satter Kr Stich möglich wäre. Die tatsächliche Kartenverteilung, das sei ausdrücklich betont, hätte ich ganz sicher auch nicht durchschaut. Durch diesen Zufall jedoch hätte der AS bei dieser Spielweise einer schweren Versuchung widerstehen müssen, nämlich nicht auf den Kr K mit der 10 zu steigen. Ansonsten hätte er sein Spiel verloren.

Aber wie gesagt, VH spielte Karo. Das brachte den AS zwar in den Besitz der Ka 10, reichte ihm aber noch lange nicht zum Sieg. Immerhin aber wusste er nun, dass die Schlüsselkarte für einen Spielgewinn bei 49 eigenen Augen die Kr 10 war. Er spielte jetzt erneut Trumpf. Ob das so gut gespielt ist, darüber ließe sich jedoch trefflich diskutieren. Aus meiner Sicht hätte der He K die Gegner vor größere Probleme gestellt. Denn eines war nach dem Spielverlauf klar. Der siebte Ka stand bei VH und wenn er, was zu erwarten war, wieder in MH käme, würde ihn dieser vor das nächste Problem stellen.

Und genau so kam es. Sein Abwurf von He 8 war nun fast schon erzwungen, die von HH gelegte He D jedoch bot ihm keine Hilfe. Denn diese hätte VH stutzig machen sollen. Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Gegenpartei nur gewinnen kann, wenn HH im Besitz des Kr A ist und noch einen Trumpf hat (und das konnte nur He oder Kr Bube sein). Weiterhin musste VH wissen, dass He 10 und K beim AS sind. Was er natürlich nicht wusste, war, ob die 10 gedrückt ist. Dafür aber konnte er davon ausgehen, dass HH nicht beide Kr Vollen führt, da er sonst sicher statt He D Kr A gewimmelt hätte.

Hätte der AS nun die He 10 oben, kann He A nicht zum Spielgewinn führen. Die Gegenpartei hat 17 Augen. Mit He A, K und 7 hätte sie 32, dann nach dem Abstich der 10 mit dem B 44. Dazu kämen noch 15 Augen in Kr (HH hat nur noch Kr, müsste also mit der Farbe antreten). Macht zusammen 59. Hat der AS die He 10 gedrückt, geht das Spiel so aber auch nicht, da HH immer mit Kr kommen muss. Um bei dem Spiel eine Siegchance zu haben, hätte VH also Kr oder Trumpf spielen müssen. Wobei Trumpf nur gewinnt, wenn die He 10 gedrückt ist. Eine gründliche, allerdings wirklich schwierige Analyse hätte das Spiel zumindest noch mal gefährdet. Bei dieser Spielweise konnte der AS nichts mehr falsch und HH nichts mehr richtig machen.