Spiel der Woche - KW 40

Warum ihr blanke 10en oft ausspielen solltet

Das heutige Spiel der Woche ließe sich auch unter einem anderen Titel behandeln. Betrachtet ihr es aus der Perspektive des AS, könnte die Überschrift auch lauten: „Stärke halten ist häufig wichtiger denn Augen drücken“. Es ist weiterhin ein gutes Beispiel dafür, warum auch manchmal Spiele, bei denen der AS 83 Augen bekam, eine interessante Grundlage für eine theoretische und spielpraktische Analyse sein können.

Nachdem VH auf die von MH gebotenen 18 passte, sagte HH 20 und bekam das Spiel. Mit der Findung (Kr D, 7) hatte er jedoch ein Problem: Trotz dreier Buben hatte er jetzt drei Farben zur Spielauswahl, aber kein Spiel war auch nur ansatzweise gut. Er hat – theoretisch und praktisch (wie sich zeigte) – das Beste daraus gemacht. Die Spielauswahl war noch relativ einfach. Eine Dame zu dritt ist als Fehlfarbe deutlich schwächer als ein König zu dritt. Von daher ist die Spielansage Herz die eindeutig beste. Beim Drücken aber hätte so mancher sicher sieben Augen in Kreuz den vier in Pik vorgezogen.

Es gibt zweifellos eine ganze Reihe Spiele, bei denen es besser ist, zwei Bilder statt einem zu drücken (insbesondere bei Grands ist das oft der Fall). Dieses aber gehört nicht dazu. Die drei gedrückten Augen mehr werden bei diesem Blatt nur ganz selten über Sieg oder Niederlage entscheiden. Auf der anderen Seite mag es zwar auf den ersten Blick absurd erscheinen, bei K, D, 7 im Vergleich zu K, 9, 7 von Stärke zu sprechen, aber der Unterschied wird sofort deutlich, wenn ihr euch vorstellt, dass die 10 in der Farbe blank eröffnet wird (oder VH die Farbe zu dritt unter Ass aufspielt und MH die 10 blank hat).

Hat der AS jetzt noch K, D, muss der am Spiel befindliche Spieler erst mal die Übernahme an seinen Partner finden, um mit einem Abstich zu verhindern, dass der AS einen Stich in der Farbe macht. Und kommt dieser Abstich von dem Spieler mit drei Trümpfen, macht die Gegenpartei anschließend keinen Trumpfstich mehr. Es ist durchaus denkbar, dass der AS genau dadurch sein Spiel knapp gewinnt. Dagegen hat ein Gegenspieler mit A, D gegen K, 9 immer die Schere und kann sich überlegen, ob er die Farbe nachspielt oder es für ratsam (und machbar) hält, den AS zu zwingen, selbst mit der Farbe anzutreten.

Der AS tauft und drückt also richtig und gewinnt deshalb auch verdient und mit großem Vorsprung sein Spiel. Dennoch lohnt eine Spielanalyse. VH hört zwar von seinem Partner 18, dürfte diese aufgrund des eigenen Blatts eher als Anreize denn als Karo-Reizung empfunden haben. Was also sollte er ausspielen? Aus meiner Sicht ist die blanke 10 genau richtig. Ich bin ohnehin ein Freund des Ausspiels einer blanken 10. Sie klärt ein Spiel ungemein. Selbst Spieler, die ansonsten große Schwächen bei der Analyse der Karten ihres Partners haben, wissen nun, dass dieser keine weitere Karte in dieser Farbe hat.

Aber das Ausspiel der 10 lässt sich auch anhand des restlichen Blattes von VH gut begründen. VH hat vier Fehlvolle in der Hand und drei relativ schwache Trümpfe. Der Partner hat gereizt – auch wenn es nur 18 waren – er muss ihm also auch noch ein paar Stärken geben. Es ist also gut möglich, dass dieser das Ass führt. Und selbst wenn das nicht der Fall ist, kann es durchaus sein, dass der Spielzug den AS in Bedrängnis bringt (z.B., wenn er zu dem A noch zwei Luschen oder Lusche, D hat).

In diesem Fall hatte MH das A, dazu aber nur die 8 und die D. Da er natürlich nicht wissen kann, dass der AS zwei Pik gedrückt hat, macht er das einzig Richtige, er legt die 8, um mit A, D die Schere zu haben. VH weiß jetzt selbstredend, dass sein Partner das A. Aber nicht nur das. Da MH die winzig kleine 8 gelegt hat, spricht viel dafür, dass sein Partner entweder zwei weitere Pik-Stiche machen kann oder der AS jetzt noch die Belle in dieser Farbe hat. Deshalb öffnet er nun Ka unter A und 10. Ein an sich unüblicher Spielzug, der aber in dieser Situation unter Umständen richtig sein kann.

Der AS sticht ein. Er mag natürlich nicht in MH sitzen mit dem Wissen, dass der Spieler hinter ihm auch Pik frei ist und überstechen kann. Darüber hinaus macht ein Abwurf von den drei Kr ohnehin keinen Sinn. Nach seinen drei folgenden Trümpfen ist wieder VH mit dem He B am Spiel, auf den sein Partner Ka K geschmiert hat. Die nun folgende Kr 10 ist sehr stark, aber auch zwingend. VH sieht beim AS sechs Trumpf, Ka hatte er gestochen und aufgrund der Spielweise seines Partners konnte er vermuten, dass der AS drei Pik führt. Hätte dieser dazu noch das Kr A, wäre bei gerade mal 16 liegenden Augen kein Sieg möglich.

Hat aber der Partner das A, ist die 10 Pflicht, ansonsten ist ein Sieg immer noch nahezu ausgeschlossen. MH nimmt auch pflichtschuldig das Ass. Nun aber macht er einen groben Fehler. Die Gegenpartei hat erst 37 Augen, er darf also noch nicht Pik A ziehen, weil er so – vorausgesetzt, der AS hätte tatsächlich die drei Pik – nur die Lusche bekäme und die Gegenpartei so nicht gewinnen kann. Er muss erst die Ka 9 ziehen. Wirft der AS daraufhin ab, kann sich VH aussuchen, wie der AS verliert. Entweder er duckt mit der 8 und lädt auf Pik A und K sein Ka A, oder er nimmt das A raus und spielt die 10 nach (hätte VH nur das A, weil der AS die Ka 10 gedrückt hat, müsste er natürlich die erste Variante wählen).