Spiel der Woche - KW 50

Nicht auf die einzige Chance gespielt

Das Thema beim heutigen Spiel der Woche ist ein Klassiker beim Skatsport. Das Spielen auf eine einzige verbleibende Siegchance. Dieses Motiv gibt es bei Allein- und bei Gegenspielen, es ist aber häufiger bei Alleinspielen anzutreffen. Deshalb habe ich auch ein Beispiel gewählt, bei dem der AS diesen Grundsatz hätte beherzigen sollen. Die Voraussetzung dafür ist aber, die Stärke bzw. Schwäche eines Blattes in jeder Spielsituation richtig einzuschätzen, wozu unserem AS entweder die Spielstärke oder die notwendige Konzentration fehlte.

Das erste Problem entstand schon bei der Reizung. VH hatte ein sehr ordentliches Herzspiel ohne 2, sah sich aber mit einer 33er Reizung von MH konfrontiert. Sollte er jetzt passen? Dazu erschien ihm sein Blatt offenbar zu stark, was durchaus nachvollziehbar ist (speziell, wenn es sich – wie in diesem Fall – um ein Ein-Serien-Turnier handelt). Ab einer 33er Reizung aber wird aus diesem an sich guten Spiel ein schlechtes, zumal MH jetzt passte, also offensichtlich nicht den Nullouvert meinte, wie VH vielleicht hoffte.

Da HH überraschenderweise auch passte, musste er nun eine erste wichtige Entscheidung treffen. Sollte er He Hand spielen oder für einen Grand in den Stock gucken? Bei einem He Hand hätte er zu 6 Trumpf mit beiden Vollen Ka A und die Belle sowie die blanke Pik 10 gehabt. Ich vermute, dass er sich wegen der blanken 10 für letzteres entschied. Für mein Empfinden wäre der Herz Hand trotzdem die bessere Entscheidung gewesen und das gleich aus mehreren Gründen.

Erstens wird das Problem, was eine blanke 10 mit sich bringt, überschätzt. Auf ein blankes Bild oder eine blanke Lusche können die Gegner annähernd genau so viele Augen machen. Der (zugegeben nicht ganz unbedeutende) Unterschied ist nur, dass bei einer blanken 10 so gut wie immer mindestens 21 Augen fallen. Zumal bei einem Handspiel, bei dem der AS nicht darauf hoffen sollte, dass ein Spieler eine Farbe unter Ass öffnet. Hier kommt der uralte Skatspielerspruch „Hand hat allerhand“ zur Anwendung. Aber selbst mit 25 abgegebenen Augen in Pik ist das Spiel noch lange nicht verloren (allerdings wird es dadurch auch nicht besser).

Zweitens kann VH darauf hoffen, dass die 33 auch eine He Hebereizung waren. Wäre das der Fall, kann er mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer günstigen Trumpfverteilung ausgehen. Dazu kommt, dass er, wenn MH nicht auch Hand gereizt hat, bei Trumpfausspiel immer wieder in HH kommt. Auch das ist ein unschätzbarer Vorteil. Und der letzte Grund ist, dass bei einem Grand die Karo Belle gewissermaßen vom Paulus zum Saulus wird. Macht sie bei einem Farbspiel einen sicheren Stich, werden die Bilder beim Grand zu echten Hemmschuhen, da sie, wenn die Ka 10 nicht blank ist oder im Stock liegt, oft auf dem Stapel der Gegner landen und diesen somit zusätzliche Augen einbringen.

VH aber schaute in den Skat und fand He und Kr D. Er drückte die beiden Blanken und spielte He A, welches von beiden bedient wurde. Damit war klar, dass die folgende He 10 mit Wimmelung (in diesem Fall Kr 10) gestochen würde. Die von den Gegenspielern nun angebotenen 11 Augen in Kr sticht der AS jetzt. Durch die 7 Augen, die er in Ka selbst abgibt, ist Abwerfen auch nur sehr bedingt eine gewinnversprechende Option.

Wie aber kann er jetzt überhaupt noch gewinnen? Er hat nun 41 Augen liegen und führt als Stehkarten noch Ka A, He D und zwei He Luschen. Aus eigener Kraft kommt er also auf 55 Pkte.. Auf die drei He werfen die Gegner beliebig ab – es sind noch reichlich Luschen im Spiel – und auf sein Ka A kann er von den anderen kein Bild bekommen, da er beide selbst führt. Steht also die Ka 10 nicht blank (was ihn immer zum Sieger kürt, da er dann nur zwei Stiche auf die Buben abgibt), wird er nur schwerlich die zwei zum Sieg benötigten Bilder bekommen.

Rechnet er aus, wie viele Punkte die Kontrahenten auf die letzten drei Stiche machen können, wenn sie auf seine Stehkarten immer bedienen bzw. abwerfen, wird seine Chancenlosigkeit noch frappierender. Die Gegenpartei hat 22 Augen liegen, er selbst gibt 9 ab. Mit der Ka 10, dem Pik A und dem Kr B hätten sie nun schon 52 Punkte und können sich noch drei weitere Karten aufbewahren. Dass sie mit diesen drei Karten fast immer die noch fehlenden 8 Augen zusammenbekommen, sollte jedem einleuchten.

Der AS muss also schauen, wie er sich zusätzliche Punkte sichern kann. Und da bietet es sich an, sein Augenmerk auf die Ka 10 zu richten. Denn die müssen die Gegner erst mal nach Hause bekommen. Er darf also nicht Ka A ziehen, muss darauf setzen, dass die Ka 10 bei MH steht und weiter seine He vorspielen. Das ist seine einzige Chance, dieses Spiel zu gewinnen.* Und da er das Glück gehabt hätte, dass die Karoverteilung zu seinen Gunsten war, wäre der Grand bei dieser Spielweise immer gewonnen worden.

*Fortgeschrittene Spieler werden jetzt vielleicht einwenden, dass es unter Umständen sogar einen Siegweg gibt, wenn HH die Ka 10 führt. Dazu darf der AS das Kr A nicht stechen und muss ein Ka Bild abwerfen. Allerdings ist dieser widerlegbar. Ich stehe gerne zur Verfügung, wenn jemand über diese Spielweise eine Diskussion im Forum beginnt