Spiel der Woche - KW 04

Viele Wege hätten nach Rom geführt

Ruft man beim Online-Skat ein bereits gespieltes Spiel auf, sieht man – die interneterfahrenen Spieler wissen das – die Kartenverteilung und das Ergebnis. Häufig entspricht das Ergebnis dem, was die Kartenverteilung nahelegt. Ist das nicht der Fall, ahnt ein halbwegs versierter Spieler oft, was bei der einen oder anderen Partei schiefgelaufen sein könnte. Manchmal aber fehlt (zumindest mir) die Phantasie, auch nur eine Idee über den Spielverlauf zu entwickeln, die diesen absurden Ausgang möglich gemacht hat. Ein solches Spiel möchte ich euch heute im Spiel der Woche vorstellen.

Nachdem MH 18 gemeldet hatte, war er direkt am Spiel. Der Skat aber war eine einzige Enttäuschung. Mit Pik 9 und Ka K fand er zwei Karten, die kaum schlechter hätten sein können. Er hatte nun in keiner Farbe fünf Trumpf und He, seine einzige Farbe ohne Ass, war auch noch die kürzeste Farbe. Was blieb ihm da übrig, als die beiden He zu drücken und mit Pik die Farbe anzusagen, in der er keinen K zum Schneiden hatte. Denn Schneiden, das wusste er bei seinen lausigen 4 Trümpfen ohne drei, würde im Normalfall die einzige gewinnbringende Option sein.

Wir sehen aber beim Blick auf die Kartenverteilung, dass weder Kr noch Ka 2/2 stehen und der AS auch in keiner Farbe eine blanke 10 bekommt. Die einzige theoretische Möglichkeit, die mir jetzt noch einfiel, wie er sein Spiel gewonnen haben könnte, wäre gewesen, dass er zwei Mal He hätte stechen dürfen und dabei A und K angeboten bekommen hätte. Dann hätte er 61 Augen gekriegt (He A und K mit Tr A und D gestochen, macht 29 plus seine beiden Asse und die gedrückte 10 = 61). Tatsächlich aber nannte er am Ende stolze 63 Augen sein Eigen. Wie aber konnte das passieren?

Die Entscheidungen über den offenkundig schief gelaufenen Spielvortrag der Gegenpartei, auch das ließ die Kartenverteilung vermuten, würde überwiegend VH zu treffen haben. Also lohnt es sich, sein Blatt in Hinsicht auf seine Spieloptionen etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Bei drei mittelmäßigen Trümpfen, jeweils einem A und einer 10 zu dritt sowie einer blanken Lusche kann er im Prinzip mit jeder Farbe, die er ausspielt, eine begründbare Attacke reiten. Er wählt als Eröffnungskarte die He D, spielt also unter seinem Ass weg.

Das Ausspiel ist sicher Geschmackssache, aber mir persönlich gefällt es von allen Varianten am Besten. Die Blank-Attacke birgt immer die Gefahr, die lange Farbe des AS zu treffen und ihn so überhaupt erst zum Gewinner zu machen, von der 10 zu dritt ohne K auszuspielen kann auch tödlich sein, wenn der AS z.B. A, K zu zweit hat oder mit A, K zu dritt schneidet und dem HH- Spieler (so er sechs Atout mit Kr B führt), durch Tr von oben seine beiden Stechkarten raubt. Natürlich kann auch diese Eröffnung der Gegenpartei gleich alle Siegchancen nehmen, aber bei dem Blatt ist das Ausspiel halt ein bisschen wie Lotto spielen. Seine Idee aber stellte sich als gut heraus. Der AS stach und bekam nur drei Augen von den Gegnern.

Diesem blieb nun keine Wahl, als Trumpf zu spielen. Ich hätte an seiner Stelle eher den Ka B gespielt, weil er ihm die Chance gegeben hätte, vielleicht in HH zu kommen, er aber nahm die Lusche. So sah er sich anschließend in MH dem nächsten He Bild ausgesetzt. Ich habe mich schon öfter über die Problematik ausgelassen, ein zweites Mal den Schuss zu spielen. In diesem Fall aber macht er m.E. Sinn. VH kann schließlich nicht wissen, dass der AS nur vier Trumpf hat und selbst wenn dem so wäre, sollte der zweite Schuss nicht das Spiel verlieren.

Der Grund dafür ist folgender: VH hatte das zweites Tr Volle selbst, und wenn HH die nun blanke He 10 legen müsste, hätte der AS zwei He Luschen (also null Punkte) gedrückt. Egal, was in dem Stich passiert, der AS hätte danach nicht genug Augen, um durch das Abspielen der beiden Asse gewonnen zu haben. Genau genommen lagen beim AS nach dem erneuten Abstich 31 Punkte. Zu viel zum Sterben, aber zu wenig zum Leben. In seiner Verzweiflung spielte er seinen letzten Tr, den erneut VH mitnahm.

Doch jetzt riss dieser sein bis dahin tadelloses „Gegenspielgebäude“ mit einem einzigen Spielzug ein. Er wollte den AS mit seinem vermeintlich wertlosen letzten Trumpf einschieben. Diese Idee aber war gleich aus drei Gründen fatal. Erstens ist seine Tr 7 absolut nicht wertlos. Wenn er jetzt den Blanken „durchschiebt“, wie der Skatspielerjargon es nennt, ist sie eine massive Bedrohung für den AS. Schneidet er jetzt, kann sie einen wichtigen Stich machen und den AS wieder in die gehasste MH bringen. Außerdem unterbindet das Ausspiel der Blanken einen Aufbau der Schere in dieser Farbe seitens des AS mit A, K im Endspiel.

Zweitens konnte es nach dem Trumpfverlauf nicht sein, dass der AS mit der Tr 7 eingeschoben wird. Hier sind die Feinheiten wichtig. Der AS stach den zweiten He mit der D, nicht mit dem K. Bei einem offensichtlich schweren Spiel wird kein guter Spieler ohne Täuschungsabsicht ein Auge sinnlos aufs Spiel setzen. Worin aber sollte die Täuschung bestehen, statt mit Tr K mit der D zu stechen? Also konnte er den K nicht haben (Ausnahme: das Spiel ist nicht schwer – das war für VH zu diesem Zeitpunkt nicht zu erkennen – aber auch dann richtet das Ausspiel der Blanken mit Sicherheit keinen Schaden an).

Auch die Trumpffolge des Partners in HH ist aussagekräftig. Gibt VH ihm den K, was logisch wäre, hätte er sich die Frage stellen sollen, warum HH im ersten Trumpfstich auf die 9 des AS die 8 statt des K legt. Würde er das tun, wenn er nur drei Trümpfe hätte? Wohl kaum. Schlüssig aber wäre dieser Spielzug mit 4 Trumpf. VH kann also bei exakter Spielanalyse erkennen, dass sein Partner nach menschlichem Ermessen die restlichen Trümpfe haben muss.

Aber das „verschwenden“ der beiden Trümpfe ist nicht das einzige Problem des Trumpfzuges. Womit wir beim dritten Grund wären, warum dieses Ausspiel so horrende negative Folgen hatte. Denn nun ist der AS endlich in HH. Für den am Ausspiel befindlichen Spieler ist die Fortführung jetzt schwer. Er entscheidet sich in seiner Hilflosigkeit, von seiner 10 zu dritt rauszukommen. Dass diese Idee nicht erfolgreich war, zeigt der weitere Spielverlauf überaus deutlich.

Hätte er sich zu dem Blankzug durchgerungen, wäre das Spiel noch gerettet worden. Der AS hat ja keine Wahl, als zu schneiden. Der Spielverlauf wäre dann wie folgt gewesen: der AS nimmt den K und spielt das A vor, welches HH nun mit Verladung der 10 sticht. Und nun kann er mit seiner Ka 7 den AS zwingen, den nächsten Stich rauszunehmen, so dass er seine 10 heimbekommt. Hätte er statt 10, D, 7 in Ka 10, D, 9 gehabt, wäre das Spiel bei richtigem Vortrag des AS (ducken auf die erste Ka Karte) nicht mehr zu gewinnen gewesen.

Aber wie gesagt, die Fortführung war sehr schwer für HH. Seine falsche Entscheidung bescherte uns jedoch ein hervorragendes Beispiel, wie ein einziger fataler Fehler manchmal ein in jeder Hinsicht mausetotes Spiel auf wundersame Weise kippen kann. VH hätte im ersten Stich jede Farbe aufmachen können, Sieger wäre immer die Gegenpartei gewesen (sogar bei der absurden Idee, Trumpf zu öffnen, hätte der AS nicht den Hauch einer Chance gehabt). Im fünften Stich aber hatte er einen kleinen Aussetzer, und der stellte sich zu seinem Pech als einzig möglicher Weg heraus, wie er den AS doch noch zum Sieger küren konnte.