Spiel der Woche - KW 06

Die scharfe 10 wär’s gewesen

Heute habe ich beim Spiel der Woche ein Beispiel ausgesucht, bei dem ein Gegenspieler gleich zwei Wege gehabt hätte, ein Spiel potenziell zu Fall zu bringen, beide aber nicht fand. Den weniger guten nicht, weil er das Unvermeidliche vermeiden wollte, den besten nicht, da er ein vermeintliches Risiko scheute. Er hätte aber genügend Informationen gehabt, um wissen zu können, dass das vermeintliche Risiko kein Risiko, sondern eine Chance ist.

MH sagte, da er gegen VH 24 reizen musste, einen Pik Hand an. Ein alles andere als schönes Handspiel, da der Pik selbst gegen eine Trumpf 2/2 Sitzung und magenfreundliche Fehlfarbenverteilung leicht den Bach runtergehen kann. Und so hätte es ja auch kommen können bzw. nach der für ihn unglücklichen Spieleröffnung sogar kommen müssen, wenn das Gegenspiel nicht fehlerhaft gewesen wäre.

Die Spieleröffnung ist für VH schwer, da er bei seinem Blatt keine ungefährliche Karte ausspielen kann. Im Grunde kann er mit jeder Karte dem AS sein Spiel gewinnen. Er entscheidet sich für Kr Ass und das war durch Zufall goldrichtig. Denn mit Kr fand er die Schussfarbe und auf das Ass konnte der AS natürlich nicht abwerfen. Nach dem Abstich zog dieser den Kr und anschließend den He B. HH aber hatte nur einen Tr und butterte auf den He B folgerichtig die Kr 10. Womit wir vor Beginn des vierten Stichs am entscheidenden Punkt dieses Spiels angekommen wären.

Denn schon nach diesen drei Stichen sind die wichtigen Dinge geklärt. Die erste Erkenntnis, die VH nun gewonnen haben sollte, ist, dass sein Tr Ass komplett wertlos ist. Einzig, wenn der Ka B im Stock liegt, kann er es noch nach Hause bringen. Was also spricht dagegen, es sofort aufzugeben und auf den Tisch zu legen? Auch wenn der Ka B tatsächlich liegt, wovon nicht auszugehen ist, richtet das Ass-Ausspiel keinen Schaden an, denn jetzt steht es wie eine Mauer und der Partner in HH kann nochmals laden. VH aber fiel es wohl schwer, sich von seinem schönen Ass zu trennen.

Hätte er die bis dahin bekommenen Informationen über das Spiel richtig analysiert, hätte er auch gute Gründe gehabt, sein Ass steckenzulassen. Denn dann wäre er zu dem Ergebnis gekommen, dass es zwar nicht schadet, sein ohnehin verlorenes Ass zu opfern, aber eben auch nicht hilft. Anders gesagt, er hätte mit dem Ausspiel des Asses das Spiel nicht verloren, aber auch nicht gewonnen. Deshalb wäre es nur der zweitbeste Spielzug gewesen.

Denn nun hätte VH den Schwarzen Peter in Form der notwendig tiefschürfenden Spielanalyse an HH weitergegeben, der es aber ungleich schwerer gehabt hätte, keinen Fehler zu machen. Denn dieser weiß jetzt nur, dass sein Partner keinen Trumpf mehr hat. Er sollte dem AS also sieben Trümpfe geben, auch wenn theoretisch natürlich einer im Stock liegen kann. Wie sich die drei Fehlkarten auf die beiden roten Farben verteilen, darüber kann er nur spekulieren. Spielt der AS nun die He 8 aus, könnte er geneigt sein, einen Tiefschnitt mit der 7 anzusetzen, da der AS ja auch die He10 zu dritt haben könnte.

Bei einer perfekten Analyse sollte er eigentlich nicht tauchen, da nur in einem einzigen – sehr unwahrscheinlichen Fall – ein Sieg drin ist, wenn der AS tatsächlich diese Karten führt. Denn nur, wenn VH He frei ist, also ein kleiner He im Stock liegt, kann das Spiel bei dieser Konstellation kaputtgehen. Muss VH den Stich übernehmen, hätte die Gegenpartei maximal 17 Augen liegen. Spielt er danach keinen Vollen aus, wirft der AS wohl ab (was bliebe ihm anderes übrig?) und gewinnt. Bietet er hingegen einen an, fehlt dieser zum Wimmeln und die Gegenpartei käme auch nicht mehr auf 60. Denn sie braucht zwingend alle verbliebenen Vollen zum Sieg.

Diese genaue Analyse aber ist schwer. VH kann es seinem Partner viel leichter machen, wenn er das Nachdenken übernimmt. Denn er hat alle entscheidenden Informationen. Er sieht genau, dass kein Sieg möglich ist, wenn der AS ein Zwei-Farben-Spiel hat, da er in beiden roten Farben je zwei Karten führt. Er sieht weiterhin, dass die Gegenpartei auf keinen Fall gewinnen kann, wenn der AS Herz Ass hat. Bei 14 liegenden Augen geht das schlicht nicht.

Also muss er nun die scharfe He 10 spielen. Denn die bringt zweierlei: sie stellt für den Fall, dass MH Herz mithat, das Spiel auf 35 und ermöglicht so, bei 25 oder 28 Augen in Karo, das Spiel zu gewinnen (spielt er nur die D, käme die Gegenpartei nicht hin, wenn der AS zwei Karo und ein Herz führt). Und sie informiert den Partner und schützt ihn so vor Fehlern. Er muss nur erkennen, dass die 10 nicht blank ist. Sieht er das, und das sollte durch eine längere Überlegungsphase zumindest für einen einigermaßen guten Spieler übermittelbar sein, ist der Rest relativ leicht.

Dieser Spielzug gibt HH die benötigten Informationen. Hätte sein Partner beide Karo Vollen, würde er erst diese beiden ausspielen und dann die scharfe 10 bringen. Ebenso kann er weitgehend ausschließen, dass sein Partner noch einen Trumpfstich macht, da er ansonsten den Stehtrumpf erst abspielen sollte. Also muss er jetzt nur noch einen Zwischenzug mit Herz K machen. Sticht der AS, muss er danach mit Ka antreten und verliert, wirft er einen Ka ab, steht die Gegenpartei mindestens auf den berüchtigten 39 Augen und er kann genüsslich auf Ka wechseln, um die zu erwartenden 21 Augen einzusammeln, falls sein Partner das Ass führt. Ansonsten wäre sowieso kein Sieg möglich.