Spiel der Woche - KW 13

Ein kleiner Fehler und ein Geniestreich

Es gibt beim Skat Spiele, die sieht man und dreht sich gelangweilt weg. Nur wenn sie wider alle Erwartungen verloren wurden, erweckt das Interesse und man fragt sich, wie furchtbar die Karte gelegen haben muss. Das Schöne am Netz ist, nach Beendigung der Liste kann man sich ein solches Spiel anschauen. Dabei aber stellt sich manchmal heraus, dass der Sitz so schlimm gar nicht war, was natürlich die Frage nach sich zieht, wie das Spiel verloren gehen konnte. Im heutigen Spiel der Woche möchte ich euch so ein Spiel vorstellen.

Bevor ihr euch den Spielverlauf anschaut, möchte ich anregen, einen näheren Blick auf die Kartenverteilung zu werfen. Dieser wird euch verständlich machen, warum ich so erstaunt war, dass der AS diesen Riesen mit 57 Augen verloren hatte. Denn die Kartenverteilung ist für ihn gar nicht so schlimm. Niemand ist eine Farbe frei und er läuft auch nicht gegen fünf Atout. Dazu kommt, dass der Kr B blank steht und der trumpfschwache Spieler nur ein Volles hat. Wie also konnte diese Niederlage zustande kommen?

Mein erster Gedanke war natürlich, dass der AS fehlerhaft gespielt haben muss. Ein Gedanke, den ich bestätigt finden sollte. Aber das allein reichte nicht aus. Der Vortrag der Gegenpartei musste schon auf den Punkt stimmen. Und er musste mit einem wahrhaft teuflischen Zug gekrönt werden. Ansonsten hätte der AS seine kleine Ungenauigkeit noch korrigieren können.

Die Vorgeschichte zu dem Spiel ist schnell erzählt. MH passte, HH bot 18 und war am Spiel. Seine Hoffnung, einen Grand zu finden, erfüllte sich nicht, die beiden Karo Luschen, die im Stock lagen, wanderten genau dorthin zurück. Er taufte also den Pik und könnte gedacht haben, gut, dass ich bei diesem stabilen Spiel schlecht gefunden habe und nicht bei einem, bei dem ich dringend Verstärkung durch den Skat gebraucht hätte…

Die Eröffnung mit dem Einschub in das blanke Ass musste ihn auch nicht erschrecken. Er spielte nun seelenruhig den He B, hoffte vielleicht auf Schneider und ahnte nicht im entferntesten, dass er sich gegen diese Kontrahenten das Spiel gerade unwiederbringlich selbst verloren hatte. Ich kann es vorwegnehmen, es war sein einziger Fehler und der reichte aus. Ab jetzt war er bei dem folgenden Spielvortrag der Gegenspieler chancenlos wie ein Huhn in der Pfanne.

Warum aber ist der He B so falsch? Die Antwort ist einfach, er hilft fast nie, schadet aber oft. Was sollte er bringen? Es gibt nur zwei Dinge, die mir da einfielen. Er könnte den AS erneut in HH bringen, weil sich VH mit zwei Trumpf incl. eines schwarzen B veranlasst sehen könnte, den Stich mitzunehmen (hat er Pik B, wäre er dazu sogar verpflichtet). Wovor aber sollte er bei diesem Spiel Angst haben, in der berüchtigten MH zu sitzen? Die Eröffnung muss ihm keine machen. Der Einschub ins blanke Ass einer Farbe, von der er keine Karte gedrückt hat, ist wenig furchterregend.

Und selbst der theoretisch mögliche Abstich in He muss ihn nicht schrecken. Kommt er von dem Spieler mit drei Trümpfen, ist er zu vernachlässigen, hat VH nur zwei Atout und kein He, muss er mit dem B stechen (hat er keinen B, wäre der AS ohnehin in MH gekommen). Der andere potenzielle Vorteil ist reiner Dummenfang. Es ist die Spekulation, dass ein schwacher Spieler das Ass legen könnte, damit einen Trumpfstich verschenkt und dem AS so eventuell zum Schneider verhilft. Dummenfang aber sollte man sich leisten können, ansonsten wird er schnell – wie in diesem Fall – zum Eigentor.

Denn wie schädlich dieser B sein kann, davon legt das Spiel beredtes Zeugnis ab. Sitzen die Trumpf 4/1, gibt es gleich zwei Szenarien, die dem AS widerfahren können. Zum einen kann geduckt werden, wenn ein Spieler beide B und das Ass führt, so dass der Partner anschließend auf drei Stehtrümpfe drei Mal schmieren kann. Viel schlimmer (und viel naheliegender) aber ist es, dass ein Spieler einen blanken Buben hat. Beim Ausspiel des B legt der 4-Trumpf-habende Spieler jetzt die 7 und hat drei Stehtrümpfe (so wie es ja auch geschah). Hätte der AS eine Lusche ausgespielt, bekämen seine beiden B Stärke, da sie einen Stich der Gegenpartei unterbinden können.

Den B zu spielen, ist also ein eindeutiger Fehler und nicht per Zufall falsch. Der weitere Vortrag der Gegenpartei ist dennoch bemerkenswert. VH mit seinem furchtbaren Blatt spielt nun Kr K. Den werden viele sicher kritisieren, da er seinem Partner suggeriert, stechen zu sollen, wenn er kein Kr mehr hat. Vor 10, 15 Jahren wäre das auch eine verständliche Kritik gewesen. Aber in einer Zeit, in der Tempoannoncen längst üblich sind, besagt ein langsam ausgespielter K eindeutig, dass die 10 dieser Farbe auch bei dem Ausspielenden sitzt.

Ein kurzer Exkurs zum Thema Tempoannoncen. In der Regel vereinfachen sie nur das Gegenspiel und verändern den Skat nicht von Grund auf, wie manche „wertkonservative“ Skatspieler meinen. Auch vor 10 Jahren gab es schon Spieler, die in so einer Situation den K ausgespielt haben. Sie haben dann eben vorausgesetzt, dass es auch dem trumpfstarken Spieler erlaubt ist, nachzudenken. Und wenn er nachdenkt, muss er sich die Frage stellen, warum sein Partner ihn sinnentleert auf Schuss setzen sollte, was zu dem Ergebnis führen sollte, dass er das gar nicht tut.

Zurück zum Spiel: Diesen K bedient MH und HH sticht mit der Tr D. Hätte er abgeworfen, wäre garantiert die Kr D nachgekommen, MH hätte die blanke He 7 abgetragen und der AS würde verlieren. So aber spielt der AS nun Tr, VH wimmelt die Kr 10 und MH nimmt den Tr K. An dieser Stelle fragt euch mal, was ihr mit den verbleibenden Karten von MH jetzt ausgespielt hättet. Ich wette, ich bin nicht der einzige, der auf die folgende Ka Lusche nicht gekommen wäre. Dabei ist sie brillant.

Der Gedanke dahinter ist, dass er dem AS neben dem blanken Kr Ass eine Dreierlänge in Fehl gibt, da er einen Blanken auf den zweiten Kr-Stich mit nur 4 Augen wohl abgeworfen hätte. Und diese wird er wohl in He haben, da MH in Ka beide Vollen führt. Eine gewisse Stärke sollte der AS in He haben, aber wie stark er ist, weiß MH natürlich nicht. Er kann A, 10 zu dritt, A zu dritt oder 10 zu dritt haben. Warum aber ein Volles anbieten, wenn doch in keiner der drei Konstellationen ein Abwurf auf Ka richtig gut ist?

Am ehesten wäre er das noch in der Ass, 10 Variante. Würde er aber mit letzterer Karte tatsächlich abwerfen, kann MH hoffen, dass sein Partner noch die Kr D hat und vorspielen kann (die zwei vorherigen Kr-Stiche legen einfach nah, dass VH von einer Viererlänge aufgemacht hat). Und dann wird MH die blanke He 7 los und der AS verliert wie folgt: Die Gegenpartei hat 18 liegen, hätte also mit Ka K 22. MH würde nun die beiden He Vollen mit beiden Bildern vom Partner stechen. Da er als Trümpfe noch das A und einen Buben hat, bekäme die Gegenpartei 63.

Sticht der AS aber und geht anschließend über seine He Vollen, zeigt sich erst der wahre Glanz des Ausspiels. Denn nun hat VH noch zwei Volle und kann nach dem Abspiel seines B eines anbieten, was er dringend braucht, um dem AS mit dem anderen den Garaus zu machen. Statt Ka 7 die blanke He 7 (diese Karte hätte ich ins Auge gefasst) auszuspielen, ist weitaus schlechter. Denn jetzt ist bei einer anderen Ka-Konstellation der Partner gefordert, keinen Fehler zu machen. Ein guter Spieler wird diese Prüfung zwar bewältigen, aber es kann nie schaden, seinen Partner vor potenziellen Fehlern zu bewahren, und seien sie noch so unwahrscheinlich.

Und bei diesem Blatt hat der AS mit dem Ausspiel sogar eine Siegchance. Nimmt er jetzt richtig an, dass die 7 blank ist, muss er nur schneiden. Denn jetzt ist die zu erreichende Punktzahl für die Gegenpartei errechenbar. Mit diesem Stich hätte sie 22, und bei den folgenden Abstichen der He Vollen müsste VH die D und die 8 geben (die beiden He kann er nicht loswerden), so dass die Gegenpartei mit Tr A und B nur auf 59 käme.