Spiel der Woche - KW 23

Wenn die Gier zu groß ist...

Beim heutigen Spiel der Woche geht es um das Kronenspiel beim Skat, einen Grand Hand. Die Überschrift könnte auch lauten: „Immer wieder diese verfluchte Mittelhand“, da es eines der vielen Spiele ist, die ein Skatspieler (fast) nur in MH verlieren kann. Es ist daher ein schönes Beispiel, um die These zu untermauern, dass ihr euch in MH eure Karten ganz genau auf etwaige Unfallgefahren anschauen solltet, bevor ihr unnötig leichtsinnige Entscheidungen trefft.

Unser MH-Spieler hielt das nicht für nötig. Nachdem er 18 sagte und widerstandslos ans Spiel kam, sagte er forsch Grand Hand an. Keine Frage, er hatte ein stolzes Blatt. Als Ausspieler gäbe er nur drei Stiche ab und gewänne theoretisch. Das Spiel aber hat einen kleinen und einen großen Makel. Der kleine ist die hässliche blanke Kr D, der große die berüchtigte MH. Den großen Makel muss er hinnehmen, den kleinen hätte er beseitigen können, indem er in den Skat schaut. Er hätte es tun sollen…

Die Eröffnung ist dann auch nach dem Motto: „kleine Sünden…“. Natürlich kommt sie, die einzige Farbe, die weh tut. Und es ist - wie sollte es anders sein – selbstverständlich die unbeschreiblich weibliche Herz D, die den AS aus der Tischmitte mit kokettem Augenaufschlag anlächelt. Warum sie unter Skatspielern bisweilen Glücksmarie heißt, hat sich mir in 25 aktiven Skat-Jahren noch immer nicht erschlossen. Für meine Begriffe ist der einzig passende Name, den ALLE Damen im Skatspiel verdienen, Seuchen-Elli.

Was jetzt passieren würde, dürfte MH schon vor der Vollendung des Stiches klargewesen sein. Wenn bei solchen Spielen genau diese D kommt, hat VH nicht nur den K und die 10 dazu (wenn doch, liegt die 9 im Stock). Und schon gar nicht dürft ihr als AS darauf hoffen, dass HH den Ka B nicht führt. Er führt ihn garantiert, das ist wie ein Naturgesetz. Der Aberglaube, der fast allen Skatspielern innewohnt, trägt zuweilen abenteuerliche Züge, aber in solchen Momenten könnt ihr getrost alles vergessen, was ihr über mathematische Verteilungen und Wahrscheinlichkeiten wisst. Der Abstich kommt mit 100 Prozent. Ohne Wenn und Aber.

Ich könnte jetzt weiter darüber philosophieren, dass diese Farbe im Lauf so gut wie nie das Spielfeld betritt, dagegen fast schon zu erwarten ist, wenn in der Liste vorher alles schief ging, widme mich aber lieber dem weiteren Spielverlauf. Schließlich ist das Spiel noch lange nicht verloren. Die Gegenpartei muss ihre temperamentvolle Ouvertüre erst noch zu einem klangvollen Gesamtwerk veredeln. Doch mit seiner Fortführung produziert HH zunächst einen klassischen Fehlton. Das Pik A bringt das Gesamtwerk fast zum Scheitern.

Das Ausspiel von der Kr 10 oder sogar das Begehen einer Todsünde mit dem Öffnen von Ka, ist an dieser Stelle deutlich stärker. Der Grund ist folgender: Wenn ein AS bei 18 einen Grand Hand ansagt, sollte er schon ein ziemlich gutes Blatt haben. Herz aber kann eigentlich nicht so richtig stark sein. Die von VH ausgespielte He D deutet darauf hin, dass er wahrscheinlich noch K und 10 dazu hat und eventuell noch eine Lusche. Bei fünf He hätte er wenigstens den K, wenn nicht sogar die 10 ausgespielt. Wäre das Ausspiel stattdessen von vier He ohne Ass und 10 gekommen, hätte der AS vermutlich nur die 10 gelegt. Warum sollte er das Risiko eingehen, ein Auge mehr abgestochen zu bekommen?

Da HH in Pik stark und in Kr mit einer 10 zu dritt auch nicht ganz schwach ist, spricht viel dafür, dass Ka die starke Farbe des AS ist. Alternativ käme eigentlich nur in Betracht, dass der AS drei Assfarben hat. Dabei wäre dann eins zweimal und zwei einmal besetzt oder ein Ass ist blank und zwei stehen zu dritt. Das sollten die drei realistischen Szenarien sein, in denen die Gegenpartei nach dem Abstich gewinnen kann. Das Pik A aber kann nur im ersten Szenario gut sein, und auch in diesem nur, wenn es bedient wird. Ansonsten fehlt es der Gegenpartei anschließend.

So fragwürdig Pik A ist, so stark ist dafür die Pik 10, mit der VH das Ass beschwert. Er hat sich offenbar mehr Gedanken über das Blatt des AS gemacht. Trotz des Abstiches war sie genau richtig. Hätte er eine Lusche gelegt, hätte der AS abgeworfen und gewonnen. So musste er stechen und war anschließend wehrlos. Als Resümee lässt sich festhalten: Bei richtigem Spielvortrag der Gegenpartei ist der Grand bei dieser Sitzung ungewinnbar. Mit dem Fehler von HH aber hatte der AS eine Chance. Er hätte in den Stock gucken und den „kleinen Makel“ Kr D durch die Kr Lusche ersetzen sollen...