Spiel der Woche - KW 34

Das Schweigen der Karten

Bevor ich zum heutigen Spiel komme, muss ich ein paar Dinge in eigener Sache loswerden. Zunächst mal möchte ich mich bei den Freunden dieser Rubrik entschuldigen, dass sie so lange verwaist war. Es ist mir derzeit aus Zeitmangel nicht möglich, hier regelmäßig ein Spiel einzustellen. Deshalb haben wir beschließen müssen, zumindest bis auf Weiteres aus dem Spiel der Woche ein Spiel des Monats (den Namen Spiel der Woche behalten wir jedoch vorerst bei) zu machen. Diese von uns allen bedauerte Entscheidung bietet aber auch eine Chance.

Bekanntlich gibt es eine ganze Reihe guter Skatspieler, die gerne bereit sind, ihr Wissen weiterzugeben, um denen zu helfen, die noch lernen möchten. Deshalb meine Frage: Wer hat Lust, hier seine Analyse eines interessanten Spieles zu posten? Einzige Voraussetzung: Aus technischen Gründen muss das Spiel bei Euroskat gespielt worden sein. Interessenten schicken bitte eine Mail mit dem Text und der Angabe der Listen-ID mit Spielnummer an den Kontaktbutton von Euroskat. Ob ein Spieler seine Analyse mit Klar- oder Nickname veröffentlicht sehen möchte, ist jedem selbst überlassen. Ich freue mich auf eure Zuschriften.

Nun aber zum heutigen „Spiel des Monats“. Diesmal ist das Thema das Gegenspiel bei einem Null. Auf die Passe von MH vermeldete HH schwache 18 und war am Spiel. Aber die Findung von Pik 8 und Ka 9 war verheerend und ließ ein Farbspiel fast ungewinnbar erscheinen. Der AS drückte daher He A und K und sagte einen Null an. Der war zwar auch schwach, hatte aber zumindest etwas größere Erfolgsaussichten. Die Kartenverteilung sollte seine Chancen sogar noch erhöhen, da die Farben maximal symmetrisch standen (bei den beiden Dreierfarben des AS war eine komplett gleiche Verteilung nicht möglich).

Der AS gewann das Spiel ja auch, aber es wäre trotz der für HH günstigen Sitzung nicht nur durch Zufall oder glückliche Fügung zu widerlegen gewesen. Der Vortrag der Gegenpartei krankte jedoch an seiner Ausdruckslosigkeit. Die Spielweise der beiden ließ den jeweiligen Partner im Dunkeln über die Kartenverteilung tappen. Und das ist die beste Voraussetzung für ein Gegenspiel voller Pleiten, Pech und Pannen. Deshalb die Überschrift: Das Schweigen der Karten.

Unbestritten, VH hat ein sehr schweres Ausspiel. Seine Entscheidung, mit Ka A zu starten, zeigt auch einen eindeutigen und durchaus schlüssigen Gewinnplan. Er will mit seiner längsten Farbe ohne 7 seinen Partner zum Abwerfen von einer seiner beiden 7er Farben bringen. Damit aber macht er gleich mit der ersten Karte einen durchaus denkbaren Spielgewinn über Karo kaputt. Sowohl die blanke Ka 9 (die bei zwei 7er Farben von VH allerdings kaum vorstellbar ist), wie diverse 7, 10, x Kombinationen als auch 7, 9, K hätte er beim AS sofort sauber gespielt.

Dieses Risiko hätte VH gar nicht eingehen müssen. Denn er führt eine Farbe, die er ohne große Gefahr öffnen kann. Die langsam ausgespielte Pik 10 ermöglicht dem Partner problemlos eine Übernahme mit der anschließenden Chance, seinerseits VH einen Gewinnweg aufzuzeigen. Sie ist nur schlecht, wenn der AS in dieser Farbe 7 und B hält und das ist bei den Karten von VH wahrlich nicht zu erwarten. Wie wäre das Spiel dann weitergelaufen?

MH hätte natürlich mit der D übernommen. Sein Problem ist jedoch, er kann VH nicht die Informationen geben, die dessen Ausspiel erkennbar einfordert. Von seiner Seite aus ist der Null nicht widerlegbar. Nach dem Ausspiel von Pik bleibt ihm nur noch eine Option, dem Partner zu helfen. Er kann Kr 9 ausspielen, um später auf Pik die Kr D abzutragen und eine 7, 10 oder 7, 10, x Kombination anzugreifen. Da das Anspiel jedoch sehr danach aussieht, als ob VH diese Farbe auch zu zweit haben könnte, spricht viel dafür, dass diese Option keine ist. Man kann trotzdem die Kr 9 nachbringen, ich hätte jetzt jedoch Pik zurückgespielt.

Ein derartiges Rückspiel der Farbe habe ich in der Skatschule als Todsünde bezeichnet (siehe https://www.skat1x1.de/school/spielkonzepte.html#keine-blanken). Dazu hätte ich jedoch ergänzend schreiben müssen, dass das Begehen dieser Todsünde durchaus Sinn machen kann. Ist nämlich keine Blanke vorhanden und gibt das Blatt – wie in diesem Fall – keine andere schlüssige Idee her, ist die vermeintliche Todsünde die bestmögliche Information, die ich meinem Partner übermitteln kann. Das Rückspiel dieser Farbe übermittelt ihm: ich kann nix gewinnen und dir auch nix zeigen. Also „spricht“ die Karte. Sie ist wesentlich aussagekräftiger als ein Farbwechsel, der dem Partner eine Idee vorgaukelt, die es gar nicht gibt.

Mit dieser Information im Gepäck macht nun das Karo-Anspiel von oben Sinn. Wir können also mit dem tatsächlichen Spielverlauf fortsetzen. Auf das Ka A macht MH etwas sehr kluges. Er behält den K zur Übernahme. Denn mit diesem K kann er VH von seinem für MH offensichtlichen Irrweg über Karo abbringen. In Karo kann nix gehen, weder eine Spielwiderlegung noch ein Abwurf. Auch wenn MH den Null nicht widerlegen kann, heißt das schließlich nicht, dass er keine „Fürsorgepflichten“ mehr hätte. Er muss VH dennoch führen. So übernimmt er dann auch folgerichtig die Ka D und bringt … die Ka 10.

Wer sich zum Lebensziel erkoren hat, seine eigenen Kunstwerke noch vor ihrer Vollendung zu zerstören, sollte sich diese Ka 10 zum Beispiel nehmen. Sie gibt dem Grauen ein Gesicht und einen Namen. Da ich jedoch weiß, dass MH zu den Besten seiner Zunft gehört und beim Skat definitiv andere Ziele verfolgt, konstatiere ich mal, dass er in diesem Moment an etwas sehr Schönes gedacht hat, was mit Skat ÜBERHAUPT NICHTS zu tun hat (es gibt auch jenseits des Skatsports wunderbare Dinge, liebe Skatfreunde!!!).

Bei den Karten von MH bringt der Abwurf des Partners gar nix, wenn der AS den letzten Karo führt, hat ihn hingegen der Partner, wirft der AS ab. Deshalb ist jetzt natürlich ein Farbwechsel Pflicht. Bei Herz gibt es nur zwei Konstellationen, die Erfolg versprechen, und zwar, wenn der AS die 7 mit 8 oder 9 und dem K oder dem A führt. Kann man probieren, wäre jedoch nicht meine erste Wahl. Aber selbst wenn er nun He spielt, kommt auf die 10 die 8 des AS und die 9 von VH. Und spätestens jetzt muss Kr 9 auf den Tisch.

So hätte MH VH perfekt über den Kartenstand aufgeklärt. Dieser muss die erhaltenen Informationen „nur“ noch richtig deuten. Karo zu spielen, muss nun falsch sein. Hätte MH nur K und B in Karo gehabt, hätte er auf das A vom Partner mit Sicherheit den K gelegt, also muss er noch die verbleibende 10 haben (außerdem hätte der AS im zweiten Karoanspiel nicht die 7 gelegt, wenn er die 10 noch hätte).

Weder He noch Kr können beim Partner blank gewesen sein, sonst wären sie früher gekommen. In Herz ist trotz der 7 nur was auszurichten, wenn der AS 8, D bzw. 8, K oder gar 8, A hält. Dazu müsste er, da er ja maximal vier Pik und zwei Karo führt, in dem Fall noch wenigstens zwei Kreuz ohne 7 und 9 haben. Hätte er nach Skataufnahme noch einen dritten Kr, würde er diesen aber sicher nicht drücken, um in He zu der 8 die D, den K oder das A zu halten.

Einen schlüssigen Weg gibt es also nur über Kreuz. Und der führt nur darüber, dass der AS drei Kreuz hält. VH muss also die 9 mit dem B übernehmen (nimmt er das A und spielt den B nach, kommt sein Partner ans Spiel und der AS kann abwerfen), das A nachspielen und dann die 7 bringen. So wäre dieses Spiel nicht durch Zufall oder Glück, sondern durch schreiende Lämmer (sprechende Karten) zu Fall zu bringen gewesen.