Wenn Helmut zum Ladykracher wird
Jugendarbeit muss oft ungewöhnliche Wege gehen
Tatort Columbia-Eck in Berlin Neukölln, 21. Juli 2012. Mitten im Sommer tun sich sonderbare Dinge im früheren Arbeiterbezirk Rixdorf. Exzentrische Kleider, bunte Frisuren, originelle Kopfbedeckungen schaffen ein außergewöhnliches Ambiente im sonst eher tristen Straßenbild. Doch etwas ist anders. So manches dunkle Haar an Gesicht, Armen und Beinen offenbart die schonungslose Wahrheit: Es sind gestandene Männer, die an diesem Tag mit viel Anmut (und etwas weniger Grazie) ihre Umwelt zu betören suchen.
Jedes Jahr veranstaltet der Skatclub Ladykracher einen REINEN Damenpreisskat zugunsten der Jugend des LV 1 Berlin Brandenburg. Mittendrin in der Riesengaudi: der Jugendwart des LV 1, Helmut Hagen, der an diesem Tag zur barttragenden Dame mutiert. Man merkt ihm an, dass die „neuen Kleider“ nicht so richtig passen wollen, aber was tut Mann nicht alles für die Jugend, seine große Leidenschaft. Am Ende durfte er mit 1222 € für seine Sprösslinge mehr als zufrieden den Heimweg antreten.
Jugendarbeit kostet, und so ist dem engagierten Frührentner das Klinken putzen nicht fremd. Doch Geld allein ist nicht der Schlüssel für eine erfolgreiche Jugendarbeit. Seit er 2011 das Amt des Jugendwartes von Helmut Forth zunächst kommissarisch übernahm, kann sich Helmut Hagen über Langeweile gewiss nicht beklagen. An drei Wochentagen wird mit den jungen Leuten geübt und an den Wochenenden ist er auch nur selten zu Hause. So findet Helmut zum alt werden einfach keine Zeit.
Seine Jugendlichen, Schüler und Bambini zahlen ihm sein Engagement durch ihre Freude am Skatsport und zahlreiche Erfolge zurück. In den zwei Jahren zeigten sich seine Schützlinge als wahre Titelhamster. Gleich 12 Mal standen sie in den verschiedenen Altersgruppen ganz oben auf dem Treppchen. Da wundert es nicht, dass Helmut ins Schwärmen gerät, wenn er über die Talente seiner Jungs und Mädels spricht.
Und wehe, einer greift seine Truppe an. Als ein grummeliger alter Hase – nachdem er gegen einen Jugendlichen eine empfindliche Schlappe einstecken musste – das Wort Kindergarten fallen ließ, erfuhr er im folgenden Gespräch schmerzhaft, dass, wer gegen die jungen Leute austeilt, viel einstecken können sollte. Wenn Helmut sich wie eine Klucke schützend vor seinen Sprösslingen aufbaut, kann man sich ihn gut mit Rock vorstellen.
Der heutige Jugendwart hat das Skatspielen mit 12 in der Familie gelernt. Als er bei Ford in Berlin zu arbeiten begann, trat er der Skatabteilung des dortigen Betriebssportvereins bei, der er auch nach der Ausgliederung der Firma, die nun Visteon heißt, treu geblieben ist. Seine ersten Bezüge zur Jugendarbeit hat er seinem Beruf zu verdanken. Bei Ford respektive Visteon war er als Ausbilder tätig. Was lag da näher, als ihn nach seinem beruflichen Ausscheiden zu fragen, ob er den freiwerdenden Posten im LV 1 übernehmen wolle. Und das tat er von Beginn an mit viel Freude und großem Einsatz.
Höhepunkt seines Schaffens war sicher die Organisation der letztjährigen Deutschen Schüler- und Jugendmeisterschaft. Etwa 300 Teilnehmer aller Altersklassen fanden den Weg in die Julius-Leber-Kaserne in Berlin, die sich als hervorragender Gastgeber erwies. In bestens geeigneten Räumlichkeiten konnten die Nachwuchsspieler unter den wohlwollenden Augen der zahlreichen Betreuer an zwei Tagen ihre Meister ermitteln. Für das leibliche Wohl und damit für das Sahnehäubchen auf eine rundum gelungene Veranstaltung sorgte das Küchenpersonal der Bundeswehr. Die Jungens und Mädels dankten es den vielen Helfern durch ihre strahlenden Gesichter.
Doch leider finden die Belange der Jugendlichen nicht überall offene Ohren. Das musste Helmut Hagen in den zwei Jahren seines Schaffens schon mehrfach schmerzlich erfahren. Schon des Öfteren musste er sich bei seinen Bemühungen um den Nachwuchs mit Krokodilstränen garnierte Absagen anhören. So traurig es anmutet, ein kinder- und jugendfreundliches Land ist Deutschland nur in Sonntagsreden. Aber so sehr Helmut diese misslichen Umstände manchmal ärgern, von seinem Weg bringen sie die Kämpfernatur nicht ab.
Denn eines weiß er genau: mit Schimpfen auf Politik, Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung ist es nicht getan. Erst wenn sich mehr Skatspieler und –spielerinnen vehement für die Förderung der Jugend stark machen, werden ihre Stimmen Gehör in einer breiteren Öffentlichkeit finden. Und nur wenn sich viele erwachsene Skatfreunde aktiv in die Nachwuchsarbeit einbringen, werden sich nachhaltige Erfolge einstellen. Ansonsten wird das in 200 Jahren in Deutschland zum Kulturgut avancierte Kartenspiel bereits in wenigen Jahren ein nur noch kümmerliches Dasein fristen. Der Skatsport braucht mehr Leute wie Helmut Hagen.
Jugendliche, die Skat lernen und/oder spielen möchten wenden sich bitte an folgende Mail-Adresse: Hier
Helmut Hagen bedankt sich herzlich bei seinen zahlreichen Unterstützern, Helfern und Sponsoren. Namentlich genannt seien hier exemplarisch: Dieter Galsterer (Präsident LV 1) stellvertretend für das Präsidium des LV und die VG Präsidien, Heribert Loibnegger (ehemals Zehnacker, jetzt sodeco), Rosita Rodehüser (Euroskat.com) sowie die Jugendwarte der VGs Christa Wunner, Sven Jenke, Volker Petermann und Michael Beilich