Spiel des Monats - Dezember

Das hätte auch anders laufen können...

Heute kann ich euch nach längerer Pause mal wieder ein Spiel des Monats präsentieren. Gleichzeitig freue ich mich, erstmals einen Spieler gewonnen zu haben, der gemeinsam mit mir ein Spiel in seine Bestandteile zerlegt. Mein Dank gilt carpediem87, der auf Anfrage sofort bereit war, die Analyse mit mir vorzunehmen. Das macht mir Mut, meinen Aufruf zu erneuern, dass sich Gastkommentatoren an dieser Kolumne beteiligen mögen. Wer also Lust hat, sich an einem lehrreichen Spiel zu versuchen, melde sich bei Euroskat. Einzige Voraussetzung: das Spiel muss aus technischen Gründen im Internet bei uns gespielt worden sein.

Zum heutigen Spiel: Nachdem MH passte, sagte HH 18 und war am Spiel. Die Findung von Kreuz Ass und 10 veredelte sein mit 4 Buben ohnehin gut bestücktes Blatt, was ihn offenbar so euphorisch stimmte, dass er beide roten Karten drückte und bedenkenlos Grand ansagte. Carpediem fand diese Spielansage fragwürdig. Er würde 14 Augen drücken und den unverlierbaren Kreuz mit 6 spielen, da die nicht allzu große Differenz das Verlustrisiko nicht rechtfertige. Eine respektable Meinung, der ich mich sofort anschließen würde, wenn der AS in VH oder MH säße. Ich gestehe aber, dass ich mich in HH auch nicht beherrschen könnte, mit einer gedrückten 10 diesen Grand anzusagen.

Der Eröffnungsstich jedoch dürfte dem AS zumindest innerlich die Blässe ins Gesicht getrieben haben. Interessant ist, dass Carpediem im Unterschied zu unserem VH-Spieler die Pik 10 ausgespielt hätte. Er kommentierte seine Eröffnung mit den Worten, ich hätte das Spiel gleich im Aufschlag verloren, da MH auf meine 10 wohl nicht geladen hätte. Wäre ich der MH-Spieler gewesen, hätte er sich da keine Sorgen machen müssen. Da ich exakt die gleiche Spieleröffnung favorisiere, hätte ich die 10 in MH wie ein ausgespieltes Ass behandelt (zur Begründung siehe hier ).

Das reale Spiel war nach dem Folgestich erledigt, aber das Weiterspielen von Pik ist beim besten Willen nicht nachvollziehbar. VH nimmt billigend in Kauf, dass er, wenn HH tatsächlich alle drei Pik hält und sein Partner keinen Buben führt, gerade ein Kronenspiel so gut wie sicher aufgegeben hat. Da er keinerlei Anhaltspunkt dafür hatte, dass der AS einen oder zwei Pik gedrückt hat, ist die Spielfortführung über Pik nur als mindestens grob fahrlässiges Liegenlassen einer sehr offenkundigen Chance zu bezeichnen. Und das ist ein wahrhaft schlimmer Fehler.

Wie aber ist das Spiel am besten fortzuführen? Um das herauszubekommen, gilt es, sich möglichst genau die bisher erhaltenen Informationen vor Augen zu führen. Carpediem und ich waren uns einig, dass man das Spiel nach dem ersten Stich schon ganz gut eingrenzen kann. Die Möglichkeit, dass der AS die drei Pik hat, ist zunächst mal der einzige konkrete Angriffspunkt, den wir haben. Wenn wir annehmen, dass er die tatsächlich behalten hat, sollten wir ihm, da er freiwillig Grand spielt, aber auch nicht viel mehr Schwächen geben.

Allerdings gibt es auch eine interessante Info von MH. Seine Wimmelung von Karo Ass ist nämlich ziemlich aussagekräftig. Da VH die Karo 10 selbst führt, ist nicht damit zu rechnen, dass MH in einer der verbleibenden Farben beide Volle führt. Ansonsten hätte er wohl kaum ein ungeklärtes Ass ohne 10 gebuttert. Da er aber 32 Augen laden müsste, um das Spiel allein über die drei Pik Stiche zu Fall zu bringen, müssen wir davon ausgehen, dass wir wenigstens noch einen weiteren Stich brauchen, um eine Siegchance zu haben. Die Frage ist also, wie ein realistischer Grand des AS aussehen sollte, bei dem genau das gegeben ist?

Der einzig vorstellbare Drei-Buben-Grand wäre, wenn der AS zu den drei Pik Ass-10 zu dritt und ein blankes Ass hat (natürlich kann er auch eine Ass-10-Viererlänge haben, aber die wäre bei der gegebenen Kartenverteilung nicht widerlegbar). Alle anderen denkbaren Konstellationen beinhalten, dass der AS die vier Buben sein Eigen nennt. Und da gibt es außer der tatsächlich vorliegenden Verteilung kaum eine ernsthafte Alternative. Er könnte zwar auch in Herz Ass-10 zu dritt führen, aber dann kann er nicht verlieren, da Herz 2/2 steht.

Die anderen Möglichkeiten wären schon extrem wagemutig. Würde er mit einem Ass zu dritt ohne 10 und K einen Grand zu spielen müsste man ihn entweder als ahnungslos oder als Wahnsinnigen einstufen. Selbst die Variante mit einem blanken und einem besetzten Ass ist ohne gedrückte 10 bei einem halbwegs fähigen Skatspieler nur schwer vorstellbar. Eine 10 aber könnte der AS in dem Fall nicht gedrückt haben, da sich die Karo 10 bei VH befindet.

Letztere sollte dennoch ins Kalkül einbezogen werden, ist aber bei dem Kartenstand leicht zu widerlegen. Da MH dann auf die beiden Pik-Stiche noch 20 Augen buttern kann, reicht im vierten Stich ein beliebiges Bild zum Sieg. VH dürfte jetzt nur nicht die Karo 10 ausspielen, da sie dem AS die Möglichkeit gibt, zu stechen, die beiden Asse abzuspielen und dann MH in eine 10 einzuschieben. Denn nun hätte MH wahrscheinlich keine Übergabe mehr, da bei dieser Konstellation zu vermuten ist, dass der AS zwei Karo gedrückt hat. Dann hätte MH keinen Karo mehr zum Einspielen und der AS könnte abwerfen und auf die letzte 10 warten. Spielt VH jedoch den blanken Kreuz K aus, ist das Spiel bei dieser Kartenkonstellation sicher tot.

Was aber ist mit den anderen Verteilungen? Wäre da nicht die Karo 10 die richtige Karte, um den AS zum Stechen zu bringen? Auch in dieser Frage waren Carpediem und ich einig. Das wäre kein guter Zug. Er würde dem AS noch Abwehrmöglichkeiten bieten. Denn nun könnte er stechen und über seine Ass-10-Farbe gehen. Ist das Herz, gewinnt er sowieso, ist es aber Kreuz, hätte VH nur noch 3 Augen (Ka D) zum Laden, da er Herz K als Übernahme behalten muss. Es braucht nämlich eine Übernahme mit sieben Augen, um bei 28 Pkt. auf 60 kommen zu können. Hat der AS jetzt jedoch neben der Herz 10 ein weiteres rotes Bild gedrückt, ist kein Sieg mehr drin. MH gehen jetzt nämlich die Bilder aus.

Womit wir bei den anderen Wahlmöglichkeiten sind. Eine Lusche auszuspielen, ist zu wenig, das sollte unstrittig sein. Was aber ist mit Herz K? Der gewinnt auch nur, wenn der AS neben der Herz 10 kein Bild gedrückt hat. Denn der Partner muss, um den Abwurf zu verhindern, zwingend die D legen. Hat er sie nicht oder ist dafür der Karo K im Stock, fehlt ihm das Bild zum Laden auf den zweiten Pik Stich. Das Gleiche gilt für das Ausspiel Ka D. Auch damit ziehen wir unter Umständen dem Partner das letzte Bild raus (außer Kr D, die aber für den Zusatzstich gebraucht wird).

Bleibt also, den Kr K auszuspielen. Was aber passiert nun? Zunächst mal ist jetzt MH gefordert, seinen Denkapparat in Gang zu setzen. Er muss ergründen, was der Kreuz K bedeutet. Dabei ist der wesentliche Punkt, das Motiv für den Farbwechsel zu erkennen. Hätte VH im ersten Stich die 10 ausgespielt, wäre das ziemlich einfach, da es jetzt zumindest naheliegend ist, dass er gegen Lusche K vom AS noch zwei Stiche machen will. Auch wenn unzählige konservative Skatspieler diesen Spielzug regelrecht anfeinden, bei diesem Spiel zeigt sich sein Informationswert eindrucksvoll.

Das ausgespielte Ass von VH erschwert für MH das Lesen des Blattes. Aber unmöglich macht es die Deutung nicht. Denn MH sollte erkennen, dass der Kr K blank sein muss!!! Er hat beide roten Asse, sein Partner Pik Ass, der AS muss einfach die verbleibenden drei Kreuz haben, was hätte er sonst für einen Grand? Er muss also „nur“ noch sieben verbleibende Karten ergründen. Auf die vier Buben kann er jetzt auch kommen. Denn warum sollte VH mit dem blanken K riskieren, dass der AS hinten billig wegducken kann, wenn er doch einen Buben zum Einspielen hat? Wollte er stechen, das klassische Motiv für ein Blankausspiel bei einem Grand, hätte er ja auch gleich mit Kreuz kommen können. Ist er aber nicht.Kommt MH so weit, ist der Rest gar nicht mehr so schwer. Denn egal, welche zwei weiteren Karten der AS nun hat, kann die D nicht falsch sein. Denn was sollte den AS bewegen, auf vier Punkte jetzt nicht zu ducken? Mit der D aber ist der AS wehrlos. Duckt er, hat die Gegenpartei 29 Punkte und VH kann problemlos die Ka 10 bringen. Nimmt er raus und spielt zweimal Kreuz, kann VH die 10 laden. Bei 32 Augen könnte MH jetzt sogar mit einer Lusche die Übergabe suchen. Die beste Spielweise bei der Sitzung wäre noch, rauszunehmen und Pik zu bringen. Aber auch das rette den Freund nicht mehr. Denn nach Wimmelung He Ass und Ka K hätte die Gegenpartei 54 Augen und könnte den AS mit beiden Herz Bildern schachmatt setzen.

carpediem87 / Matthias Lehmann