Die Skatschule

Ein Leitfaden für Profis und ambitionierte Hobbyspieler

 

REIZEN

Das richtige Einschätzen der Stärke des eigenen Blattes gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen für einen guten Skatspieler. Leider ist es aber auch eine der schwierigsten Teildisziplinen beim Lernen des Spiels. Es gibt jedoch so ungeheuer viele Kartenkonstellationen, die es wert wären, hier diskutiert zu werden, dass wir uns auf einige wenige Beispiele beschränken müssen, die den theoretischen Background beleuchten sollen, in dem sie angeführt werden.

Dabei möchten wir unsere kommenden Aussagen nicht als konkrete Handlungsanweisungen verstanden wissen. Es geht ausschließlich darum, interessierten Skatspielern (also euch) Hilfen an die Hand zu geben, euer Risiko besser abschätzen zu können. Die Entscheidung, welches Risiko ihr eingehen möchtet, kann und will euch niemand abnehmen. Auf dem Weg zum guten Skatspieler ist es ein wichtiger Schritt, seinen eigenen Spielstil zu entwickeln. Der wichtigste Tipp, den wir dabei geben können, ist, beim Reizen nicht zu unflexibel zu sein. Ein berechenbarer Spieler wird nie über die „zweite Liga“ hinauskommen.

Drei Aspekte, die grundsätzlich beachtet werden sollten

Wie schon in den allgemeinen Ausführungen über Skat angedeutet, ist die Stärke eines Blattes nicht immer gleich zu bewerten. Sie ist abhängig von drei Variablen: der Position, dem Reizverhalten der anderen und der eigenen Spielstärke im Verhältnis zu der der Gegner.

1.1 DIE POSITION

Die Position beim Skat meint die Sitzreihenfolge am Tisch nach dem Geber. Der Ausspieler sitzt in Vorderhand (VH), der nächste in Mittelhand (MH) und der letzte Spieler in Hinterhand (HH). Die günstigste Position ist die des Ausspielers. Das wird sofort deutlich, wenn ihr an den berühmt-berüchtigten „Zwei-Reiher-Grand“ denkt (2 , 2 lange Farben). Dieser ist in VH jederzeit reizbar, in MH und HH nur mit hohem Risiko und unter der Voraussetzung, dass einer der Buben der ist (Man nennt ihn Springergrand, er wird oft nur gewonnen, wenn die Buben der Gegner verteilt sind).

Aber auch bei vielen anderen Spielen ist das Ausspiel von entscheidender Bedeutung. Der VH-Spieler hat die Initiative, er bestimmt den ersten Stich. Anfänger unterschätzen zumeist den Vorteil der Initiative. Sie sind oft sogar froh, nicht am Ausspiel zu sein, da sie mit der Initiative auch die Verantwortung für die Spielgestaltung haben, die sie sich noch nicht zutrauen. Eine solche Herangehensweise ist grundfalsch! Nur aus Fehlern könnt ihr lernen, wer ständig die anderen agieren lässt, wird nie ein erfolgreicher Skatspieler. Der Ausspieler lenkt das Spiel, er bestimmt die Richtung in seinem Sinne und zu seinem Vorteil.

So kann er bei Farbspielen durch einen Trumpf zwei Trümpfe der Gegner aus dem Spiel nehmen und dadurch die Gefahr von Abstichen verringern. Insbesondere die statistisch wesentlich häufigeren Ab- und Überstiche der „zweiten Welle“ sind in VH viel eher zu verhindern. Die zweite Welle meint die gefährlichen Farben, in denen ein Gegner – insbesondere wenn es der ist, der hinter dem Alleinspieler sitzt – eine blanke Karte hat. Hat der Alleinspieler dort z.B. , kann er durch einmal oder mit sogar zweimal Trumpf ziehen seine wahrscheinlich retten (auch mit , , Lusche schneidet sich nach einmal Trumpf ziehen wesentlich einfacher als im ersten Stich).

Bei beiden Spielverläufen wird dem Alleinspieler kein Volles abgestochen. Hätte er in HH oder MH gespielt, wäre bei einer Kreuzeröffnung in Beispiel1 die bzw. in Beispiel 2 bei gleicher Spielweise das nicht zu retten gewesen.

Desweiteren kann der VH-Spieler durch das Recht des Ausspiels viel leichter verhindern, dass er bei einer relativ schwachen Trumpfkarte „zu kurz“ kommt, wie der Skatspieler sagt (zu kurz ist ein Alleinspieler, wenn er nach eigenen Abstichen weniger oder schlechtere Trümpfe als der stärkere der beiden Gegner hat). Manche Farbspiele sind sogar fast nur in VH gewinnbar. Zum Beispiel ein solcher 5-Trümpfer

Herz ist Trumpf:

kann ohne den höchst unwahrscheinlichen Einschub in die lange Farbe in MH oder HH praktisch aufgegeben werden: der Alleinspieler kommt automatisch zu kurz (ohne ist das Spiel selbst in VH nur in wenigen Fällen gewinnbar).

Auch bei Null- oder Nullouvert-Spielen kann die VH ein großer Vorteil sein. Eine blanke 8 ist als Ausspieler so gut wie nie ein Problem, in MH oder HH kann sie leicht zum Verlust des Spiels führen. Gerade Null-Spiele liefern aber auch einige Beispiele, dass der VH-Platz manchmal auch ein Nachteil sein kann.

So ist das Blatt

in MH oder HH ein sicherer Nullouvert (Skatspielerzitat: „Da gibt die Reichsbank Geld drauf“), in VH hat man ein Problem. Aber derartige Spiele sind die große Ausnahme.

Die VH hat noch ein weiteres Plus. Beim Reizen darf der VH-Spieler gegen beide Gegner „hören“. Das heißt: sie müssen sich zuerst erklären. Hat VH eine grenzwertige Karte, die man reizen kann aber nicht muss, kann er erst mal abwarten, wie die anderen Spieler agieren. Passen beide, steigen seine Chancen, sein Blatt durch gute Karten im Skat maßgeblich zu verbessern. Wird er gereizt, kann er aussteigen und dem anderen ein womöglich schwer zu gewinnendes Spiel überlassen.

Das „Hören“ kann darüber hinaus vor einem fast sicheren Spielverlust bewahren. Für den zugegeben seltenen Fall, dass beide Spieler dasselbe Spiel reizen (z.B. einen einfachen Pik), kann der Hörende bei 22 passen und dem Kontrahenten das Problem bescheren. Aus unerfindlichen Gründen lassen sich viele Skatspieler diesen Vorteil allerdings nehmen, halten die 22 noch, und wundern sich, dass ihnen ihr Pik-Spiel um die Ohren fliegt. Ein solches Reizverhalten ist definitiver Unsinn! Ein Spieler, der bei 22 nicht Pik spielen will, wird ohnehin weiter reizen. Also solltet ihr als Hörende auf keinen Fall euren Reizwert noch halten (Ausnahmen sind nur die Reizwerte, die mehrere Spiele ermöglichen: 36, 48, 60, 72)

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die VH bei den meisten reizbaren Blättern entscheidende Vorteile hat. Diese sind in der Summe so bedeutsam, dass sie selbst spielerische Qualitätsunterschiede kaschieren. Ein guter Spieler, der jedes Spiel in VH sitzen dürfte, würde einen sehr guten Spieler auf Dauer beherrschen.

Die zweitbeste Position beim Skat ist die HH. Auch sie bietet eine Reihe von Vorteilen. Zunächst mal kann der HH-Spieler die Informationen aus der Reizung der anderen in die Beurteilung seines eigenen Blattes einbeziehen, bevor er sich selbst erklären muss. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn beide Spieler reizen. Wir werden auf die Gefahren, die in diesem Fall lauern, im nächsten Abschnitt über das Reizverhalten noch näher eingehen.

Aber auch für das Spiel hält die HH einige Pluspunkte bereit. Zwar haben die Gegner die Initiative, aber dieser eigentliche Vorteil kann auch ein Nachteil sein. Oft hat der VH-Spieler ein schwieriges Ausspiel. Er kann seinem Partner in MH eine 10 blankieren (dazu mehr beim Thema Spieleröffnung oder dem Alleinspieler eine besetzte 10 hochspielen. Öffnet er von einer langen Farbe ohne Ass, ist sein Partner diese womöglich frei und der potenzielle Abstich geht ins Leere. Spielt er ein Ass aus, kann der Alleinspieler dies unter Umständen zum gewinnbringenden Abstich nutzen, spielt er unterm Ass oder gar unter Ass 10 aus, wird HH eventuell eine blanke Lusche „billig“ abwerfen.

Mit anderen Worten: die Initiative kann auch zum Fluch werden, wenn dem Ausspieler, der zu diesem Zeitpunkt des Spiels naturgemäß nur wenig Informationen über die Kartenverteilung hat, ein spielentscheidender Fehler unterläuft. Ein solcher Fehler ist, nebenbei bemerkt, oftmals gar kein Fehler im klassischen Sinn des Wortes, da der arme Tropf eine Entscheidung trotz „ungenügender Datenbasis“ treffen muss. Er macht also keinen Fehler, er spielt nur zufällig eine falsche Karte aus. Aber genau die kann dem Alleinspieler evtl. schon zum Sieg verhelfen.

Insofern spielen sich manche Spiele sogar am besten in HH. Das gilt besonders für Spiele, bei denen nicht die Gefahr besteht, dass der Alleinspieler in Trumpf zu kurz kommt und in denen kein Abstich droht (Grand mit 4, 7-Trumpf-Spiele ohne Fehl-Ass). Bei diesen Spielen ist übrigens die VH von Nachteil. Die Initiative hilft hier nicht, sie schadet im Gegenteil, weil sie den Widersachern zusätzliche Informationen über die Kartenverteilung bringt, bevor sie Entscheidungen treffen müssen. Und mit einer aufgestockten Datenbasis lassen sich bessere Entscheidungen treffen.

Auch Spiele, die der Alleinspieler schon zu kurz beginnt (4-Trümpfer, Grand ohne oder nur mit einem Buben) versprechen manchmal in HH die besten Gewinnaussichten. Hier drohen zwar allerlei Abstiche, aber die sind mangels Trumpfmasse bei entsprechender Kartensitzung ohnehin nicht zu verhindern. Bei diesen Spielen fällt die Entscheidung über Sieg oder Niederlage in der Regel in den Fehlfarben. Und in diesen kann die erste Karte viel Schaden für die Gegenpartei anrichten.

Kommen wir nun zur MH. Sie verspricht nur eines: Ärger! Sitzt ein Spieler in MH, drohen ihm alle bösen Dinge, die das Skatspiel bereit hält. Vom Spiel her sind das Abstiche, die Vorbereitung von Abstichen (z.B. durch das Ausspielen einer Farbe mit einem zweimal besetzten König), der berüchtigte Schuss (das Ausspiel einer Farbe, die der Alleinspieler nicht hat), womöglich gar ohne ein einziges Auge auf dem Tisch, das „Hochspielen“ einer Zehn in schwachen Ass-Farben des Alleinspielers und nicht zuletzt das Vorbereiten von Überstichen bzw. Abwerfen von misslichen Fehlkarten auf Seiten der Gegner.

Doch damit nicht genug. Der MH-Spieler muss sich auch noch als erster erklären. Hat er ein grenzwertiges Blatt, muss er eine Entscheidung treffen ohne Informationen über die Blätter der anderen. Entscheidet er sich zu reizen, wird er nur zu oft zweimal passe hören und beim Blick in den Stock (Skat) ziemlich enttäuscht aus der Wäsche gucken (als Profi natürlich nicht so, dass es die anderen sehen). Passt er, ärgert er sich womöglich, dass er ein nach der Findung gutes Spiel weggelassen hat. Wer allerdings schon öfter in MH schwache Alleinspiele angereizt hat und erleben durfte, wie schnell die Gegner Witterung aufnahmen, wird sich immer häufiger für ein Passen entscheiden und den Ärger über ein verpasstes Gewinnspiel runterschlucken. Denn eine Zahl sollten sich alle nicht so erfahrenen Spieler ins Gehirn brennen: ca. 70 % aller verlorenen Alleinspiele werden in MH gespielt.

1.2 DAS REIZVERHALTEN DER GEGNER

Skat ist ein Informationsspiel. Je mehr Informationen der Skatspieler erhält, desto genauer kann er die Verteilung der Karten und die Gegner einschätzen und dadurch mehr richtige Entscheidungen treffen. Das erfordert jedoch vom Reizen an seine volle Aufmerksamkeit. Denn beim Reizen werden die ersten wichtigen Informationen übermittelt. Dabei gilt es zwei Aspekte zu beachten. Zum einen die Reizwerte der Gegner - sie geben Aufschluss über potenzielle Kartenverteilungen - und zum zweiten die Reizweise der Gegner, denn sie erzählt viel über deren Spielphilosophie.

Ein guter Skatspieler passt niemals bei einem willkürlichen Reizwert. Allerdings sind die Aussagen einer Reizung fast nie eindeutig. So heißt eine 22er Reizung nicht zwangsläufig, dass der entsprechende Spieler einen einfachen Pik spielen wollte. Er kann einen schwachen Pik ohne zwei, drei oder vier aus Angst vor einem schwarzen Buben im Stock abgebrochen haben. Er kann eine lange Pik- und eine lange Kreuzfarbe haben, bei der er sich beide Spieloptionen offen halten wollte. Möglich wäre auch, dass er seinem Partner seine Assfarbe anzeigt oder er will verhindern, dass der Alleinspieler einen einfachen Herz tauft (die sogenannte Hebereizung: man „hebt“ seinen Gegner über die Farbe, die man als Trumpf nicht haben möchte).

Die ein oder andere Möglichkeit kann der Alleinspieler anhand seiner eigenen Karten vielleicht ausschließen (z.B. wenn er selbst Pik Ass führt oder eine lange Kreuzfarbe hat). Das hilft die potenzielle Bedeutung des Reizwertes etwas einzugrenzen. Denn es macht Sinn, die durch die Reizung erhaltenen Informationen bei der Spielansage, beim Drücken und beim Spielvortrag zu berücksichtigen. Das ist jedoch aufgrund der Uneindeutigkeit der Aussagen eine knifflige Angelegenheit. Die Erfahrung lehrt, dass der doch sehr spekulative Informationswert der Reizung den Spieler nicht unbedingt dazu verführen sollte, seinen an sich optimalen Spielplan über den Haufen zu werfen. Eine leicht mögliche Fehlinterpretation kann sonst schnell zu einem vermeidbaren Spielverlust führen.

Eine Information kann hingegen als sehr wahrscheinlich eingestuft werden. Reizt ein Spieler ein anderes Spiel als Null oder Nullouvert, hat er zumindest ein respektables Blatt. Dies zur Kenntnis zu nehmen, kann für den Spielverlauf wichtig werden. Zeigt sich z.B., dass dieser Spieler keinen Buben hat, müsst ihr davon ausgehen, dass sich eine größere Anzahl voller Karten in seiner Hand befindet. Hat der Spieler andererseits kein Ass, wird er vermutlich eine sehr lange Farbe oder mehrere Buben führen. Diese Infos beim Spielvortrag zu beachten, ist oft entscheidend für den Spielausgang.

Der Wermutstropfen in Form einer Einschränkung folgt jedoch auf den Fuß. Denn nicht jede Reizung ist gleich zu bewerten. Reizt ein aggressiver, angriffslustiger Spieler hat das weit weniger Aussagekraft als die gleiche Reizung eines Defensivspezialisten. Das gilt sowohl für die – zugegeben ohnehin spekulative – „Delegierung“ von Assen oder Buben an den reizenden Spieler als auch für die Risikoabschätzung des eigenen Spiels. Braucht das eigene Blatt noch Verstärkung durch den Skat, ist diese gegen eine Reizung eines vorsichtigen Spielers weit weniger zu erwarten als gegen einen risikofreudigen Vielspieler. Deshalb ist die genaue Beobachtung des Reizverhaltens für erfolgreiches Skatspiel unerlässlich.

Noch ein kleiner Tipp zur Strategie: im Allgemeinen empfiehlt sich, sein Reizverhalten ein wenig dem Charakter des Tisches anzupassen. Gegen zwei oder drei „Bullys“, die sogar Blätter reizen, bei denen es viel Phantasie braucht, um ein potenzielles Spiel zu entdecken, bleibt euch ohnehin kaum etwas anderes übrig, als das Visier ein wenig zu öffnen. Ihr werdet sonst überrollt und bekommt kaum ein Spiel. Dabei ist es aber wichtig, eure Beobachtungen stets auf ihre Aktualität zu überprüfen. Gute Spieler wechseln öfter mal die Gänge und wer eine Tempodrosselung nicht mitbekommt, hat schnell mehrere Spiele in der Verlustspalte stehen.

Gegen Defensivspieler ist eine etwas langsamere Gangart angeraten. Viele junge Heißsporne verwechseln zurückhaltendes Reizen mit Angst und meinen, solche Spieler mit forschem Angriffsskat dominieren zu können. Es gibt beim Skat aber keinen Preis für die meisten Spiele. Ein bisschen Mut ist sicherlich angebracht, aber wenn dieser in Übermut umschlägt, kommt oft eine alte Weisheit zum Tragen: Helden sterben jung!

Bevor wir zum nächsten Kapitel kommen, müssen wir noch einen Spezialfall behandeln. Der HH-Spieler hat ein reizwürdiges Blatt, hört aber von seinen Kontrahenten schon zwei Reizungen. Nun sollte er sich seine Karten noch mal ganz genau darauf anschauen, ob sie auch kleineren oder größeren "Unfällen" standhalten. Denn diese sind nun vorprogrammiert. Ein ungeschriebenes Gesetz beim Skat besagt: "Es gibt keine drei Spiele". Wenn alle drei Spieler meinen, ein gewinnbares Spiel auf der Hand zu haben, gewinnt meist keiner der drei. Die Kartenverteilung ist jetzt extrem ungewöhnlich. Selbst blanke Asse können nicht mehr zwingend auf der Habenseite verbucht werden, denn Abstiche und Überstiche sind jetzt von der Ausnahme zum Regelfall mutiert.

1.3 DER SPIELSTÄRKENVERGLEICH

Wir kommen nun zu einem etwas heiklen Thema. Es sollte zwar jedem einleuchten, dass bessere Spieler etwas offensiver reizen können, da sie über mehr Erfahrung und Spielvermögen verfügen, um auch in schwierigen Situationen die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Ebenso logisch erscheint, dass sie die Palette spielbarer Spiele erweitern, wenn sie schwächere Gegner am Tisch ausmachen. Sie hoffen auf Fehler, die ihnen ermöglichen, Spiele, die eigentlich auf Verlust stehen, dennoch zu gewinnen. Aber was heißt das für einen Anfänger oder noch nicht ganz so versierten Spieler, für den wir diese Zeilen schließlich in erster Linie schreiben?

Soll er vor den vermeintlich übermächtigen „Profis“ erstarren wie das Kaninchen vor der Schlange? Das kann wohl kaum die Lösung sein. Und woran erkennt er überhaupt die starken Spieler? Daran, dass sie am häufigsten oder lautesten meckern? Als „Auszubildender“ fehlt einem naturgemäß die Erfahrung und das Einschätzungsvermögen, die unterschiedlichen Spielstärken richtig einzuordnen.

Doch hier hilft die Lebenserfahrung als Ratgeber. Und die lehrt uns beim Skat wie im richtigen Leben, dass man die lautesten Schreihälse fast nie ernst nehmen muss. Sie haben es meist nötig, zu schreien und zu meckern, weil ihnen die Souveränität und Klasse fehlt. Das versuchen sie durch Einschüchterung der Gegner wett zu machen. Es ist eine interessante Beobachtung, dass sich solche Spieler gegenüber den wirklich Guten häufig äußerst devot verhalten. Ihr scheinbar unendliches Selbstbewusstsein ist dann wie weggeblasen. Das kann sogar so weit gehen, dass sie offensichtliche Fehler – die auch die Besten immer mal wieder einstreuen – als richtig deklarieren, nur weil sie von den „Profis“ kommen, während sie richtige Karten der Anfänger reklamieren.

Insofern unser Tipp: bei Meckerköppen die Ohren auf Durchzug stellen oder, wenn es zu unangenehm und beleidigend wird, die Spielleitung informieren. Niemand braucht sich deshalb als Denunziant zu fühlen. Skat ist ein emotionales Spiel, bei dem man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen sollte und auch nicht zu empfindlich sein darf. Aber beleidigen oder beschimpfen muss man sich deshalb noch lange nicht lassen.

Die richtig guten Spieler erkennt ihr in der Regel (leider gibt es Ausnahmen) daran, dass sie Fehler ruhig und schlüssig erklären, statt lautstark loszupoltern. Das Bewusstsein ihrer Stärke verleiht ihnen die Souveränität, ihre Qualität nicht ständig betonen zu müssen und auf den Fehlern anderer nicht dauernd rumzureiten. Schließlich profitieren sie auf Dauer davon. Tritt ein Spieler so auf, ist Vorsicht geboten. Zu hohe Reizwerte werden von diesen Spielern meist bestraft. Dafür lohnt es sich als lernwilliger Skatspieler, das Spiel dieser Gegner genau zu beobachten und ihnen zuzuhören, wenn sie etwas erklären. Denn beides – ihr Spiel und ihre Erläuterungen – haben meistens Hand und Fuß.

Aber auch guten Spielern gegenüber lautet die oberste Maxime: bange machen gilt nicht. Sie haben keinen Zauberstab. Und wenn ihr die entsprechenden Karten bekommt, müsst ihr sie reizen. Selbst auf die Gefahr hin, auch mal ein Spiel zu verlieren. Aus Niederlagen könnt ihr lernen und von einem verlorenen Spiel geht die Welt nicht unter. Vorsicht ist ein guter Ratgeber, Angst nicht!

2. DAS REIZEN AUF DEN SKAT

Wie schon gesagt, wir können hier unmöglich die Wertigkeit jedes einzelnen Blattes noch dazu unterschieden nach Positionen diskutieren. Es ist unseres Erachtens auch nicht Sinn einer Skatschule, Standards wie etwa ein Punktsystem, das einige Skatspieler zur Orientierung beim Reizen entwickelt haben, zu definieren. Ein solches, höchst umstrittenes Punktsystem mag dem ein oder anderen vielleicht kurzfristig helfen, auf mittlere und lange Sicht wird es den „Lernenden“ nur behindern. Er wird verführt, nach „Schema F“ zu reizen statt variabel vorzugehen und zu lernen, die Situation differenziert zu analysieren.

Deswegen empfehlen wir: macht Eure Erfahrungen selbst, schaut, wie oft Ihr bestimmte Spiele gewinnt und modifiziert Euer Reizverhalten je nach Erfolgsquote. Ein guter Skatspieler – wir können es nicht oft genug betonen – wird man ohnehin nur mit üben, üben und nochmals üben. Dabei schadet es allerdings nicht, schon frühzeitig theoretische Grundkenntnisse in eure Überlegungen einzubeziehen. Im Gegenteil, es sollte den Lernprozess deutlich beschleunigen.

Deshalb denkt beim Reizen an eure Position und berücksichtigt, dass sich die Reizwerte nicht nur nach der Qualität der Karten richten sollten. Andere Reizungen machen das Gewinnen schwieriger, weil sie die Wahrscheinlichkeit verringern, Buben oder „volle Karten“ (Asse und 10en) im Stock zu finden und auf außergewöhnliche Kartenverteilungen hinweisen können. Und versucht als „Auszubildende“ nicht gleich den Gipfelsturm. Wer die Feinheiten des Skats noch nicht hundertprozentig beherrscht, sollte nicht unbedingt offensiver reizen als die Profis. Es sei denn, er vertritt die etwas altmodische Auffassung, dass Lernen nur unter Schmerzen funktioniert.

Auf zum nächsten Thema. Ein beim Skat häufig gehörter Satz lautet: „Man reizt nicht auf den Skat.“ Diese Aussage möchten wir zum Anlass nehmen, vor allzu großer Vertrauensseligkeit bei „guten Ratschlägen“ zu warnen. Auf dem Weg zum besseren Skatspieler begleiten euch viele Ratgeber. Aber nicht jeder meint es gut mit euch und nicht jeder weiß, wovon er redet. Sagt euch ein guter Spieler, man solle nicht auf den Skat reizen, will er leichter an seine Spiele rankommen. Meint einer diese Aussage ernst, nun ja, denkt daran, es muss auch Leute geben, die die Gewinne anderer finanzieren. Schließlich vermehrt sich das Geld beim Skat nicht.

Würdet ihr nicht auf den Skat reizen, könntet ihr jedes Spiel aus der Hand spielen. Tatsächlich sind jedoch die wenigsten Blätter schon fertig. Die Frage ist nur, wieviel Verstärkung das Blatt noch braucht und wie wahrscheinlich es ist, diese zu bekommen. Dazu lohnt ein Blick in die Mathematik. Euch fehlen 22 Karten, zwei davon findet Ihr im Skat. Nun müsst Ihr Euch nur noch fragen, welche bzw. wie viele Karten euer Blatt so verstärken, dass ihr ein ordentliches Spiel habt. Der Rest ist Mathematik. Helfen euch sieben Karten, ist die Rechnung:

und ihr habt die grundsätzliche Wahrscheinlichkeit, dass ihr eine dieser Karten findet. Wer diese Formel zu komplex findet, um selbst zu rechnen, kann auch die Wahrscheinlichkeiten auswendig lernen. Hier ist die Tabelle:

Anzahl Karten Wahrscheinlichkeit
10 71,5 %
9 66,2 %
8 60,6 %
7 55,5 %
6 48,1 %
5 41,1 %
4 33,8 %
3 26,0 %
2 17,7 %

Diese Rechnung berücksichtigt jedoch nicht, dass sich die Wahrscheinlichkeiten mit dem Reizverhalten verschieben können. Reizt z.B. ein Gegner 30 und ihr habt den , ist in der Regel davon auszugehen, dass dieser mindestens einen schwarzen Buben (meistens beide) und eine Reihe von -Karten führt. Das kann Eure Chancen erheblich beeinträchtigen oder enorm verbessern, je nachdem, ob ihr diese Karten gebrauchen könnt oder nicht.

Ebenso müsst ihr einberechnen, dass manche Karten im Stock unter Umständen als „Killerkarten“ fungieren können. Das gilt bei „ohne-mehrere-Spielen“ gegen eine höhere Reizung vor allem für Buben, aber manchmal auch für kleinere Karten, die es beispielsweise unmöglich machen, dass ihr Ass und Zehn einer Farbe ohne Abstich „nach Hause“ bekommt oder die verhindern, dass ihr euch eine schwache Farbe frei drücken könnt. Wollt ihr z.B. eine rote Farbe ohne 4 gegen eine Null-Reizung eines Gegners spielen, ist die Wahrscheinlichkeit, einen schwarzen Buben zu finden immerhin bei fast 18%.

In der Regel jedoch stehen die Chancen recht gut, eine brauchbare Karte im Skat zu finden. Kriminell hingegen sind die Wahrscheinlichkeiten, wenn ihr gleich zwei passende Karten für ein akzeptables Spiel benötigt. Es gibt nur wenige Ausgangsblätter, die eine Reizung in diesem Fall mathematisch rechtfertigen.

Beispiel:

Mit diesem Blatt wäre eine Nullouvert Reizung riskant, aber vertretbar: 28,5% sicherer Sieg, 51,9% akzeptable Chance.

Interessant für die Reizbarkeit eines nicht fertigen Blattes ist aber nicht nur, wie viele gute Karten im Stock liegen können. Wichtig ist auch, wie störend die eigenen schlechten Karten sind. Insbesondere Bilder zu Assen oder 10en können doppelt weh tun. Sie bringen den Gegnern Augen und verhindern, dass ihr mit eurem Ass oder eurer 10 Bilder der Gegner schnappt. Andererseits eignen sich Könige manchmal zum Schneiden und Bilder, die ihr drücken könnt, sind sichere Augen. Beim Skat sind nun mal nur wenige Aussagen eindeutig.

Dennoch sollte das folgende Beispiel aufzeigen, warum ihr nicht nur die guten Karten zählen solltet, die ihr finden könnt. Wir nehmen zum Vergleich zwei Ausgangsblätter, mit denen VH nach Passen beider Gegner entscheiden muss, ob er reizt.

Blatt 1:

Blatt 2:

In beiden Blättern fehlen acht wertvolle Karten (Buben und Volle), die jeweils die Gewinnwahrscheinlichkeit erhöhen. Darüber hinaus helfen bei Blatt 2 jedoch nur und
. Bei Blatt 1 helfen und , aber auch die fünf (wenigstens ein bisschen, der ein bisschen mehr) und - so man zwei davon findet - die verbleibenden . Dazu kommt bei Blatt 2, dass der Wert der , oder im Stock durch eine weitere Karte dieser Farbe gemindert würde. Und es stören diese beiden fürchterlichen Damen - die schrecklichsten Karten im Skat - während bei Blatt 1 der blanke König eher hilft, da ihr ihn meist drücken könnt. Obwohl das Anreizen beider Blätter vertretbar ist, sollte anhand der Ausführungen deutlich geworden sein, dass Blatt 1 mehr Aussichten verspricht, sich merklich zu verbessern.

3. DER KREUZ BUBE - DER STEUERMANN

Um eine weitere wichtige Komponente beim Skat einzuführen, tritt jetzt die Bedeutung einer speziellen Karte in unser Blickfeld: die des . Wir haben ihn den „Steuermann“ genannt, weil er viel wichtiger ist, als die meisten Spieler vermuten. So könntet ihr z.B. annehmen, dass es doch egal ist, ob ihr in einem Spiel und habt oder und
. Das ist es aber mitnichten.

Denn der ist der höchste Trumpf und nur dieser verspricht die so wichtige Spielkontrolle. Wer den höchsten Trumpf hat, hat die Chance, das Spiel zu leiten, es flexibel zu gestalten und ihm in kritischen Situationen unter Umständen noch eine Wendung zu geben. Seid ihr nicht in seinem Besitz, habt ihr als Alleinspieler weit weniger Möglichkeiten, bei gefährlichen Kartenverteilungen eure Spielweise zu variieren.

Ein einfaches Beispiel:

Der Alleinspieler sitzt in HH und wird in eine Ass 10 7 Farbe eingeschoben. Dieses Ausspiel ist fast immer blank (zum Warum mehr beim Thema Spieleröffnung).

Es droht der Abstich der 10 mit dem König und die Dame bleibt stehen und macht einen Stich: höchst unangenehm. Noch unangenehmer aber wird dieser Spielzug, wenn der blank öffnende Spieler bei einem 6-Trumpf-Spiel des Alleinspielers mit zwei Trumpf stechen kann (der Skatspieler nennt das: „mit den kurzen Trümpfen stechen“). Nun ist der Spielverlust eines an sich starken Spiels nah.

Mit und werden wir diesen Spielverlust nur unter sehr glücklichen Umständen verhindern können (VH muss führen und anschließend nicht die „Übernahme“ seines Partners in der Farbe finden, in der der Alleinspieler noch eine blanke Karte führt). Mit und können wir den Abstich durch Trumpfspiel von oben und anschließend von unten leicht verhindern.

Derartige Beispiele könnte man einige aufzählen. Noch häufiger sind aber die Fälle, in denen der "Steuermann" im Endspiel wichtig wird (Geduld Skatfreunde, wir werden dafür noch Beispiele bringen). Für den Moment wollen wir es dabei bewenden lassen, die große Bedeutung des Kreuz Buben für die Wertigkeit eines Blattes herauszustreichen. Ob "mit" oder "ohne" einen ist für die Gewinnbarkeit und damit Reizbarkeit eines schwächeren Spiels oft maßgeblich.

4. ANNONCEN

Wir sprachen schon davon, welche Vorteile beim Reizen das „Hören“ hat. Beim Skat aber hat fast jede Medaille zwei Seiten. So hat auch das „Sagen“ einen wichtigen Vorteil. Ihr könnt als „Sagender“ je nach Bedarf Annoncen geben oder verhindern, dass der Mitreizende annonciert. Bekanntlich ist das Übermitteln von Informationen über sein Blatt durch Sprechen verboten. Mit einer Ausnahme: dem Reizen. Beim Reizen ist es nicht nur erlaubt, es ist unvermeidlich. Diese Tatsache könnt ihr euch als „Sagender“ zu Nutze machen.

Merkt ihr – beispielsweise durch die gelangweilte Überheblichkeit des Mitreizenden – dass das Spiel sowieso an den Gegner geht, könnt ihr die Reizung so gestalten, dass der Partner zusätzliche Informationen über das eigene Blatt bekommt. Ihr könnt bei einer Farbe zögern, von der ihr das Ass habt und/oder eine Farbe in der Reizung überspringen, die ihr gar nicht führt (Spezialfall: sitzt ihr in HH und der Alleinspieler in MH und ihr wollt stechen, könnt ihr alternativ auch die Farbe reizen, die ihr frei seid!). Beendet ihr dann noch die Reizung bei der Farbe, die ihr spielen wolltet, hat der Partner schon eine ziemlich genaue Vorstellung von euren Karten – und damit auch von den Karten des Alleinspielers. Er kann nun einen optimalen Weg wählen, wie das Spiel zu Fall zu bringen ist.

Aber Vorsicht, all diese Informationen erfährt auch der Alleinspieler. Auch er kann sie nutzen, kann anders drücken oder den Spielvortrag anders gestalten. Ist er Ausspieler, solltet ihr euch deshalb gut überlegen, ob er erfahren soll, dass in einer Farbe ein Abstich zu erwarten ist. Wird er voraussichtlich Grand spielen, und euch fehlt der Bube zum Stechen, ist eine solche Info ebenfalls meist kontraproduktiv (der Alleinspieler drückt schwache Karten dieser Farbe weg und der Partner könnte verleitet sein, die 10 dieser Farbe auszuspielen, da er den Abstich des Asses vermutet).

Habt ihr selbst viele oder gar alle Buben, solltet ihr eine solche Info sogar zwingend vermeiden. Schließlich wollt ihr die Vollen dieser Farbe stechen und sie nicht im Stock des Gegners sicher verwahrt wissen. In diesem Fall könnt ihr stattdessen erwägen, das Szenario umzudrehen und eine Farbe zu überspringen, die ihr zweimal bedienen müsst. Aber auch das ist so eine Sache. Durchschaut der Gegner das eigene „trickreiche Reizen“, kann er genau diese Vollen bewusst auf der Hand behalten. Manchmal ist es deshalb das Beste, die Annoncen ganz weg zu lassen. Der Alleinspieler ist nun gezwungen, im Trüben zu fischen.

Eine weitere Möglichkeit, sich das Sagen zunutze zu machen, ist die sogenannte Sprungreizung. Sie bietet sich an, wenn ihr in HH gegen MH einen Grand mit nur zwei Buben (womöglich gar ohne ) reizt, bei dem ihr eine Farbe gar nicht oder nur einmal ohne Ass habt. Die Gefahr ist groß, dass der MH-Spieler genau diese Farbe spielen möchte. Damit sein Partner in VH nicht erfährt, welche Farbe er ausspielen soll, empfiehlt es sich, mit einem großen Sprung, z.B. von 23 auf 48 den VH-Spieler über die gereizte Farbe des Partners im Unklaren zu lassen. Ihr nehmt euch damit zwar die Chance, unter Umständen Infos zur Bubenverteilung zu erhalten, die Vermeidung bzw. Minimierung von Risiken kann hier jedoch als vorrangig eingeschätzt werden.